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Telearbeit ist also komplexer, als sie auf ein „Recht auf HomeOffice“ zu reduzieren
Zum Artikel "Heil plant Recht auf Homeoffice" (13.1.):
Redaktion
 |  aktualisiert: 24.01.2022 02:18 Uhr

Der Arbeitsminister Heil ist dabei, „das Kind mit dem Bade auszuschütten“. Er vermittelt den Eindruck, als ob es sich beim „HomeOffice“ um eine Angelegenheit alleine der Arbeitnehmer handele. Das ist Populismus pur. Die Verengung auf den Begriff „HomeOffice“ ist irreführend und wird auch dem Bedürfnis der Menschen nach sozialen Gemeinschaften nicht gereicht. Es handelt sich um Telearbeit, die z.B. auch „Mobiles Arbeiten“, „Telegemeinschaftsbüros“ oder sog. „Coworking Spaces“ einschließt.

Ich selbst bin seit 30 Jahren ein Verfechter der Telearbeit, weil der ländliche Raum von der Dezentralisierung der Arbeit profitieren und damit ein Stück von dem zurückgewinnen könnte, was er infolge der industriellen Revolutionen verloren hatte. Es handelt es sich um jene „Arbeitswelt“, die sich - wie dies bereits der Untertitel Ihres  Artikel aussagt - „grundlegend verändert“.  In der Tat, es sind Veränderungen von systemischer Dimension. Sie betreffen natürlich auch die Arbeitgeber, die  Wirtschaft, die Gewerkschaften, und nicht zuletzt auch den Staat, die Kommunen – die ganze Gesellschaft.

Viele Fragen sind offen. Werden teure Büroräume zu Konversionsflächen? Was wird aus diesen und in welchem Umfang? Wo findet die Wertschöpfung statt?  Gilt  im HomeOffice das Heimarbeitsgesetz von 1923?  Welche Hebesätze welcher Kommunen sind dafür anzuwenden? Diejenigen der Firmenstandorte, oder werden die Wohnsitzgemeinden die (zerlegungs-)anteilige Gewerbesteuer bekommen? Kommen Arbeitnehmerrechte zur Anwendung? Gilt das Hausherrenrecht der Arbeitnehmer? Es könnte auch – systemisch betrachtet – erhebliche Einbußen für die  bisherigen Arbeitsorte geben: Neben der Gewerbesteuer wären das Kaufkraftverluste, fallende Wohnraumnachfrage, geringere Auslastung der aufwändigen Infrastruktur usw.

Auch für den Staat und damit für die ganze Gesellschaft wird es Änderungen geben: Nach den Studien von DIW, Böckler- und Ifo-Institut gehen von den  ca. 33 Millionen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern etwa 56 Prozent, das sind ca. 18,4 Millionen,  einer telearbeitsfähigen Tätigkeit nach. 68 Prozent davon fahren mit dem eigenen Pkw täglich durchschnittlich ca. 40 km (hin und zurück). Das bedeutet 12,5 Millionen Pendler  liegen  täglich mit ca. 500 Millionen (eine halbe Milliarde) Kilometern auf bundesdeutschen Straßen. Der durchschnittliche CO²-Anteil pro Kfz-Kilometer wird vom Umweltbundesamt mit 143 Gramm angegeben. Ohne die täglichen Pendler würden 71.500 Tonnen wegfallen. Bei 220 Arbeitstagen würden im Jahr 15.730.000 Tonnen CO² eingespart.  Das wäre ein beträchtlicher Beitrag zum Klimaschutz. Telearbeit ist also komplexer, als sie auf ein „Recht auf HomeOffice“ zu reduzieren, und es genügt nicht von „besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, „neuer Freiheit“ und „mehr Flexibilität“ zu  sprechen.

Der Wandel von der Präsenz- in dezentrale Telearbeit muss als gesamtgesellschaftlicher Prozess verstanden werden, der marktwirtschaftlich und damit im Einvernehmen mit den Sozialpartnern zu gestalten ist.  Innerhalb  eines solchen Prozesses haben die  Arbeitnehmer das Recht, sich diejenigen Arbeitgeber auszusuchen, die Telearbeit unterstützen. Unsere Erfolge als Wirtschaftsnation sind auf der Grundlage der Partnerschaft, nicht der Verordnung entstanden. Dieses kostbare Gut darf nicht aufgegeben werden.

Reinhold H. Müller, 97753 Karlstadt

 
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