Schon mehr als fragwürdig
Zum Artikel "Der Agent, der keiner sein wollte" (06.09):
Das Sommerloch muss schon riesig sein, wenn die Main-Post der Stasi-Geschichte über Friedrich Cremer gleich zwei volle Seiten gewidmet hat. Was da unter dem Vorwand wissenschaftlicher Erkenntnisse geboten wird, ist schon mehr als (hinter)fragwürdig. Da wird offensichtlich aus der Anzahl der angeblichen oder tatsächlichen Kontakte zur Stasi geschlossen, dass die Bedeutung Cremers die des Kanzleramtsspions Guilleaume übertroffen haben soll. Bleiben wir doch einmal auf dem Teppich: Wer soll denn im Ernst daran glauben, dass die Erkenntnisse aus der gerade in Bayern ach so bedeutungsvollen SPD oder aus der sicher überschaubaren Mitgliederzahl einer sozialdemokratisch ausgerichteten bayerischen Ärzte- und Apotheker-Organisation oder gar aus der SPD-Bildungseinrichtung auf der Frankenwarte für die Machthaber der DDR so bedeutsam gewesen sein soll? Wenn Fritz Cremer tatsächlich berichtenswerte SPD-Interna hätte in Erfahrung bringen wollen, dann hätte er sich nicht in einem linken Parteizirkel bewegen dürfen, da hätte er sich schon bei den stramm rechten SPDlern des Seeheimer Kreises einreihen müssen. Eigentlich ist aus dem Beitrag im Wochenendmagazin nur zu entnehmen, dass sich die Geheimdienstler im sozialistischen Bruderstaat herzlich wenig von den Schlapphutträgern im Westen unterschieden haben. Schließlich musste man ja seine Existenzberechtigung irgendwie unter Beweis stellen. Wer das Vergnügen hatte, mit der freiheitlich-demokratischen Gesinnungsschnüffelei des Radikalenerlasses befasst gewesen zu sein, der kann ein Lied davon singen, wie intensiv unsere Verfassungsschützer offensichtlich damit beschäftigt waren, Leserbriefe auszuwerten und Zeitungsausschnitte einzukleben, selbt wenn die Inhalte noch so harmlos waren.
Peter Etthöfer, 97276 Margetshöchheim
Peter Etthöfer, 97276 Margetshöchheim
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