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Rücksichtslose Finanzpolitik wird durchgezogen
Zur Sparpolitik in Krisenzeiten
Redaktion
 |  aktualisiert: 22.12.2015 14:54 Uhr
Zweimal wurde Deutschland von internationalen Finanzkrisen betroffen: Von der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts und von der gegenwärtigen Finanzkrise. Die Ursachen beider Krisen sowie deren Auswirkungen auf die deutsche Innenpolitik sind derart unterschiedlich, dass sie sich kaum vergleichen lassen. Die erstgenannte Krise traf das Deutsche Reich infolge der ihm auferlegten Reparationszahlungen nach dem Ersten Weltkrieg in einer wirtschaftlich ohnedies verzweifelten Lage; die gegenwärtige Finanzkrise scheint die wirtschaftliche Stärke der Bundesrepublik eher Nutzen zu bringen. Dennoch zeigen sich in dem Versuch, den Krisen entgegenzuwirken, auffällige Parallelen. Reichskanzler während der ersten Krise war der Vorsitzende der christlichen Zentrumspartei Heinrich Brüning. Seine Parole war: “Rücksichtslose Sanierung der Finanzen.” Die Folgen waren wachsende Armut und Arbeitslosigkeit, die eine Stärkung der radikalen Parteien nach sich zog; letztlich führte das zum Zusammenbruch der Weimarer Republik. Gegenwärtig erleben wir, dass die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister eine ebenso rücksichtslose Finanzpolitik durchziehen, die bereits in Deutschland eine wachsende Armut nach sich zieht: Laut einem Bericht des Statistischen Bundesamtes vom Oktober 2014 gelten 16,1% der deutschen Bevölkerung als armutsgefährdet. Hierauf ist wohl das überraschend gute Abschneiden radikaler Parteien bei Landtagswahlen in Ost und West zurückzuführen. Diejenigen europäischen Länder, die von der Finanzkrise besonders betroffen sind, werden von den europäischen Instanzen unter starkem Einfluss von Frau Merkel und Herrn Schäuble gleichfalls zu rücksichtsloser Finanz- und Innenpolitik gezwungen. Dort hat sich, wie in Griechenland und Spanien, zusätzlich zur allgemeinen Verarmung der Bevölkerung eine beängstigende Jugendarbeitslosigkeit breit gemacht. In beiden Ländern erstarken radikale Parteien, und man kann froh sein, dass es den stärksten nicht um nationalistische, sondern um soziale Ziele wie die Eindämmung der Arbeitslosigkeit, Hilfen für die verarmte Bevölkerung, eine sozial geprägte Steuerpolitik und die Bekämpfung der Korruption geht. Deshalb muss man die von diesen Parteien getragenen Regierungen in Griechenland und vermutlich demnächst in Spanien unterstützen und nicht mit unerfüllbarer Regelungswut daran hindern, Ziele zugunsten ihrer Bevölkerung zu verfolgen, die auch für andere europäische Staaten in wirtschaftlicher Notlage als Modell dienen könnten. Auf eine weitere bemerkenswerte Parallele zwischen Brüning und Merkel sei am Rande hingewiesen: Ihre Erfolge in der Außenpolitik: Reichskanzler Brüning hat in beharrlichem Ringen, das ihm im Ausland alsbald Anerkennung und Vertrauen einbrachte, die Lösung der Reparationsfrage zugunsten Deutschlands ein gutes Stück vorangetrieben. Die zähen Verhandlungen von Bundeskanzlerin Merkel zwecks der Verhinderung eines Krieges in der Ukraine, die wir in den Nachrichten hautnah miterleben konnten, verdienen uneingeschränkte Achtung. Dies wird auch im Ausland anerkannt.

Prof. Dr. Jörg Willer, 97250 Erlabrunn
 
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  • FranzGebhart
    Es gibt eine Anekdote über die Vorzüge verschiedener Länder. Darin heißt es:" Deutschland glänzt allein durch eine funktionierende Verwaltung". Darin liegt unabhängig von jeder geschichtlichen Epoche der Neuzeit der Erfolg Deutschlands begründet. Spekulationen über das Wahlverhalten sind nicht zielführend. In Griechenland ist seit jeher Tradition, wider bessere Einsicht bei der Aufstellung des Staatshaushalts mit Schulterzucken festzustellen, dass die Steuereinnahmen wieder einmal nicht reichen und zum Ausgleich eine Kreditaufnahme unumgänglich ist. Dieser Trend hat sich mit dem Euro noch verstärkt. Man konnte sein Treiben mit niedrigen Zinssätzen freudig fortsetzen. Die von der Bundesregierung angebotene Hilfe von deutschen Steuerexperten hat man gewohnt arrogant abgelehnt. Während es in Spanien und Portugal wenigstens noch leerstehende neue Gebäude gibt, ist in Griechenland kaum ein Euro in Investionen, dagegen umso mehr in dunkle Kanäle geflossen.
    F.Gebhart
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