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Ritt auf der Rasierklinge
Zum Leitartikel "Der Krieg ist ein heilsamer Schock" (6.4.):
Redaktion
 |  aktualisiert: 13.04.2022 02:24 Uhr

Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt - orakelt Friedrich Schiller in seinem dramatischen Schauspiel Wilhelm Tell. Der Schweizer Nationalmythos verweist bezeichnenderweise auf das Recht eines Volkes auf individuellen und kollektiven Widerstand. Wladimir Putin, einst von interessierter Seite als "lupenreiner Demokrat" stilisiert, wird als räuberischer Aggressor und Kriegsverbrecher in die Geschichtsbücher eingehen. Mehr noch: als die tatsächliche Katastrophe seines Jahrhunderts. Seine imperialistischen Träume von einer gleichberechtigten Weltmacht neben den USA, China und hoffentlich bald auch Europa werden unerfüllt bleiben. Hat er doch ein russisches Volk durch Korruption, Unterdrückung, Angst, rigorose Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, eine Willkürjustiz, Militarismus und gravierend niedrigen Lebensstandard aufgrund sozio-ökonomischen Rückstands herabgew verfallenirtscaftet. Die Bevölkerung ist in Apathie verfallen, müde der fortwährenden Staatspropaganda. Hunderttausende haben das Land jüngst verlassen. Der allgemeine Frust entlädt sich in Gräueltaten und gezielter Völkermord einer marodierenden Armee und ihrer Geheimdienste an unschuldigen Zivilisten in den Kampfgebieten der Ukraine. Auf Putin und die Seinen wartet der Internationale Strafgerichtshof. An relevanten Beweisen fehlt es nicht. Die Weltöffentlichkeit erschaudert, das Wort einer umfassenden Zeitenwende wird zu einem festen Begriff.

 Der völkerrechtswidrige Angriff auf das einstige Brudervolk mitsamt der Krim-Annexion 2014 und der Unterstützung von Separatisten im Donbass sind ein Völkerrechtsbruch ohnegleichen.Putin und seine ihm ergebenen Vasallen haben sich gründlich verkalkuliert. Völlig unterschätzt wurden im Kreml der heroische Freiheits- und Kampfeswillen des ukrainischen Volkes, wie eine ungeahnte Geschlossenheit des transatlantischen Westens aus Nato und Europäischer Union. Über vier Millionen hilfsbedürftiger ukrainischer Flüchtlinge, hauptsächlich Alte, Frauen und Kinder, fanden bereits während der ersten Kriegswochen gastliche Aufnahme in benachbarten Ländern. Sie treffen auf eine völlig neue Willkommenskultur gegenüber der Flüchtlingsdebatte 2015. Gleichzeitig streben Finnland, Schweden, Moldawien und Georgien unter den rettenden Schutzschirm der Nato. Bei uns hat die Bundeswehr nach 50  Jahren Appeasement-Politik und stiefmütterlichen Daseins einen ganz neuen Stellenwert. Unsere Gesellschaft hat erkannt, dass Demokratie auch wehrhaft sein muss.

Eine effektive Landesverteidigung gab es bei uns bisher nicht. Während die verschärften westlichen Sanktionen gegenüber Russland, dem Putin-Regime und seiner reichen Oligarchen langsam zu wirken beginnen, wird die Notwendigkeit härtester weiterer Sanktionen notwendig. US-Präsident Joe Biden und die Verbündeten wissen inzwischen, dass sie den Krieg um die Ukraine nicht verlieren dürfen. Das Fiasko um Kabul und Afghanistan ist noch allgegenwärtig. Damit steht die geforderte Lieferung schwerer und modernster, den russischen überlegener Waffen an die Ukraine unmittelbar bevor. Wie auch die Entsendung amerikanischer Militärberater. Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge, will dich die Nato keinesfalls als Organisation in diesen Krieg hineingezogen werden. Andererseits weiß auch Putin, dass er endlich auf Erfolg angewiesen ist. Sollte er chemische oder gar Nuklearwaffen einsetzen, gibt es kein Halten mehr. Vielen Ländern droht schon jetzt eine empfindliche Nahrungsmittelkatastrophe. In jedem Falle werden sich Deutschland und die Welt auf große Einschränkungen und Veränderungen einstellen müssen. Die Hoffnung auf internationalen Wandel durch Handel hat sich nicht erfüllt. Einseitige Energie-Abhängigkeiten dürfen nicht mehr fortbestehen. Dies gilt auch für die Vereinten Nationen. Sonst wird sie verzichtbar wie einst der Völkerbund. Russland hat sein Vetorecht selbst in eigenen Angelegenheiten verwirkt.

Jochen Freihold, 14052 Berlin

 
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