Sehr erstaunt war ich von den gegensätzlichen Aussagen zum Klimaschutz von Herrn Schröder zum Thema „breiter Konsens zum Stemmen der großen gesellschaftlichen Aufgaben“ einerseits und dem gleichzeitigen Ausgrenzen respektive dem bei der Union üblichen Grünen-Bashing mit „Ideologisierung des Klimaschutzes und das überhandnehme Moralisieren“ andererseits.
Er erklärt nicht, wie er die seiner Meinung nach bestehende Kluft überwinden will, außer mit der Aussage, dass es nur die Union mit der neu gegründeten Gruppierung Klima-Union kann.
Ich darf zunächst zum von ihm verwendeten Begriff Ideologie kommen. Robin Celikates, Professor für praktische Philosophie an der Freien Universität Berlin sagt dazu: „Es ist eine sehr ideologische Vorstellung, sich selbst als ideologie-frei zu bezeichnen“. Wissenschaftlich betrachtet kann der Begriff „Ideologie“ auf drei Arten verwendet werden: negativ, z.B. in der Politik, wertneutral, bei der der Begriff rein beschreibend als anderes Wort für Kultur, Identität, Weltanschauung verwendet wird und im positiven Sinne, Ideologie als etwas, das Menschen mobilisiert. Im Alltag jedoch wird Ideologie anders benutzt als in der Wissenschaft. Ideologie ist da ein Kampfbegriff, um die gegnerische Position herabzusetzen. Hier wird dieser Begriff von Herrn Schröder und der Union bewusst mit dem negativen Konnotat eingesetzt, um sich selbst zu erhöhen.
Auch der Begriff „Moralisieren“ wird bewusst in diesem negativen Sinn eingesetzt und ist auch hier eng mit dem der Ideologisierung verbunden. Der „Nutzen der Binnenwirtschaft darf nicht durch klimafreundliche Technik zu Belastungen führen", so Herr Schröder. Dieses Mantra ist genauso oft zu hören wie das Mantra, dass es die Wirtschaft besser kann als der Staat. Der Staat solle also nicht regulieren. Wissenschaftlich betrachtet zeigt sich, dass letzteres Mantra eher einer Wunschvorstellung denn einer bewiesenen Aussage entspricht. Die Wirtschaft in Deutschland ist mit einem Viertel am klimaschädlichen CO2-Ausstoß beteiligt, der Verkehrssektor v.a. mit seiner umfangreichen Logistik für die Wirtschaft noch mehr. Der Hauptverursacher soll also im Prinzip wie bisher weitermachen dürfen oder sich freiwillig dem Klimawandel anpassen, weil die staatliche Regulierung (Ordnungspolitik) Innovationen und damit Fortschritt hemmen würden?
Zwei komplett als Grünen-Sympathisanten unverdächtige Personen aus Wirtschaft und Politik sehen das aber gänzlich anders. Der Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes sagte schon 1926, dass „die wichtigsten Agenden des Staates nicht die Tätigkeiten betreffen, die bereits von Privatpersonen geleistet werden, sondern jene Funktionen und Entscheidungen, die niemand trifft, wenn der Staat sie nicht trifft“. Ganz besonders in Krisenzeiten hat sich dies später auch bewährt. Franklin D. Roosevelt, US-Präsident, der 1933 den New Deal auf den Weg gebracht hat, um die schwere Wirtschaftskrise zu überwinden, sagte in seiner Ansprache an die Nation wörtlich: „Die unfairen 10 Prozent konnten so billig Güter produzieren, dass die fairen 90 Prozent sich gezwungen sahen, die unfairen Bedingungen zu übernehmen. Hier kommt der Staat ins Spiel. Der Staat muss das Recht haben und wird das Recht haben, nach Studium und Planungen für eine Branche und mit der Unterstützung der überwiegenden Mehrheit dieser Branche, unfaire Praxis zu verhindern und dieses Abkommen mit der Autorität des Staates durchzusetzen.“ Genau dieses Prozedere, die politische Freiheit und die individuelle Verantwortung der Fairen führten aus der Krise heraus.
Vielleicht sollten Herr Schröder und die Union inklusive FDP dies anerkennen. Unsägliche staatliche Beschränkungen seitens der Union, wie z.B. die 10 H-Regelung, die seit Jahren zur Behinderung des Ausbaus regenerativer Energien beiträgt, könnten fallen. Plumpe Polemik wie „die grüne Porsche-Cayenne-Fahrerin“ – auch diese Aussage wurde inzwischen als falsch belegt – hilft dem Klimaschutz nicht. Der Begriff „Ideologie“ ist wahrscheinlich die Grünen betreffend schon positiv besetzt, da viele Menschen mobilisiert sind, wie viele Umfragen belegen.
Dr. Wieland Gsell, 97225 Zellingen