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Politiker und das Recht auf Privatsphäre
Zum Artikel „Diagnose: Streng geheim“ (10.10.):
Redaktion
 |  aktualisiert: 02.11.2020 02:17 Uhr

Die Autorin unterstellt den Mächtigen, sie würden über ihre Krankheiten lügen, sie vertuschen. Als Beispiel für ihre These führt sie Friedrich Ebert, den ersten Präsidenten der Weimarer Republik an. Sie behauptet zudem, Ebert habe seine Gesundheit vernachlässigt, eine vom Arzt empfohlene Badekur jahrelang aufgeschoben. Obwohl es doch eben eine gesunde Freizeitaktivität Eberts war, die einen der Erinnerung werten Skandal auslöste. Die Berliner Illustrierte, BIZ, veröffentlichte am 21.10. 1919, dem Tag der Vereidigung Eberts zum Reichspräsidenten, ein unautorisiertes Foto, das ihn und Gustav Noske in der Badehose an der Ostsee zeigte. In der Folge wurde nicht nur Ebert mit Häme und Spott übergossen, das Foto Eberts in Badehose wurde zur Ikone der republikfeindlichen Polemik. Wie hätten die Feinde des Reichspräsidenten und der jungen Republik reagiert, wenn sie von den Krankheiten Eberts erfahren hätten? Sie hätten auch diese Nachrichten als Munition gegen Ebert und die Republik benützt. Auch die Behauptung der Autorin, andere Politiker hätten nichts aus dem tragischen Tod Eberts gelernt, ist fragwürdig. Denn welcher Politiker lässt sich schon in der Badehose, welche Politikerin im Badeanzug ablichten? Die Autorin diskutiert weder die Frage, inwieweit Politiker – auch sie gleichberechtigte Bürger – ein Recht auf Privatsphäre und Datenschutz haben, noch reflektiert sie die Tatsache, dass sie als Journalistin in diesem Fall selbst handfeste Interessen hat und vertritt.

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