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Politik ohne Schärfe ist witzlos
Zum Artikel "Hass im Internet: Erst anzeigen, dann löschen" (22.10.):
Redaktion
 |  aktualisiert: 08.11.2019 02:11 Uhr

"Der Kampf gegen Hass im Netz ist wichtig, denn aus Hass kann schnell reale Gewalt werden", so steht es in der Pressemitteilung des Bayerischen Justizministeriums vom 16.10.2019. Landesregierung und Medien vereinigen sich zu der Initiative "Justiz und Medien – konsequent gegen Hass". Diese Idee hat zwei "Schönheitsfehler".

1) Das Ministerium behauptet sinngemäß, 'Hass gebiert Gewalttat, und zwar ohne Umschweife – genau genommen möglicherweise!' In dieser Behauptung begegnet uns das Konzept einer Radikalisierung im Schweinsgalopp. Zu meiner Zeit gab's auch schon Abneigungen, Antipathien, Feindschaften und Feindseligkeiten, Aversionen. Nur um darauf aufmerksam zu machen, dass es eine ganze Menge von Abstufungen gibt. Was Gewalttaten betraf, so gab es enorme Hemmungen. Mir fehlt bei dieser gesinnungskriminologischen Behauptung das Konzept der Hemmung. In der Argumentation des Ministeriums sehe ich eine Rechtfertigung dafür, in die Meinungsfreiheit einzugreifen.

2) Nehmen wir das Wort "Hass" so, wie von der Initiative suggeriert. Seit wann ist es die Aufgabe weltlicher Institutionen, den Hass auszumerzen? Hass ist doch im Unterschied zu Verhetzung kein normativer Begriff, kein Tatbestandmerkmal einer polizeilichen Ermächtigungsvorschrift. Für Hass gibt es keine objektive, rechtliche Interpretation, keine übergeordnete Instanz. Staatsanwälte und Gerichte sind nicht dazu da. Welchem Zweck dient diese Initiative dann überhaupt? Sie ist gedacht als Hetze gegen "Hass", wobei Hass die Rolle eines Popanz spielt.

Die eigentlichen Adressaten der Hetze sind die Demarkationisten und Kommunitaristen, die Skeptiker integrationistischer, kosmopolitischer, individualistischer Politikkonzepte. Und da Hass etwas ist, was jeden abstößt, bezeichnen sie alles, was ihnen nicht gefällt, was sie nicht erörtert sehen wollen, worauf ihnen die Gegenargument ausgegangen sind, als Hass. Das Beste wäre es, wenn die Kombattanten auf beiden Seiten ihre Empfindlichkeit stark zurücknähmen. Politik ohne Schärfe ist witzlos und nichts für Mimosen.

Heribert Spiegel, 97816 Lohr

 
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