Wenn das, was Benedikt XVI. zu behaupten wagt, mit der Realität zu tun hätte, dann hätte es vor 1968 in der katholischen Kirche keinen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen (und erwachsenen Nonnen) gegeben. Ich darf daran erinnern, dass die Radikalisierungsphase der bei der RAF gestrandeten Journalistin Ulrike Meinhof ihren Ausgang bei Recherchen genommen hat, welches Leid (auch über sexuellen Missbrauch hinaus) Kindern und Jugendlichen in kirchlichen und auch öffentlichen Einrichtungen ohne jegliche Folgen für die pädagogischen Täter angetan wurde. Benedikt verdreht auf schreckliche Weise, wer das gemacht hat. Die 68er waren es nicht. Es ist ein über Jahrhunderte hausgemachtes Problem der Kirche selbst, die ihre Würde nicht in der Verdrängung und in der Beschuldigung anderer, sondern in der Aufarbeitung ihres eigenen Anteils zurückgewinnen könnte. Ich würde ihr das wünschen.
Hanns Peter Zwißler, 97422 Schweinfurt
Realitätsverleugnung ist ja ein bekanntes Kernelement im Katholizismus. Aber jetzt übertreibt er es wirklich! Doch als Werkzeug Gottes erweist der emeritierte Papst der Aufklärung zu guter Letzt dennoch einen großen Dienst. Weil er sehr dabei hilft, erkennen zu lassen (um es mit Hans Christian Andersen zu sagen): „Die Kaiser sind nackt.“ Aber erst wenn auf solche intellektuell-theologischen Ergüsse ein schallendes homerisches Gelächter folgt, ist der Bann endgültig gebrochen. Dabei sehe ich in Menschen wie Herrn Ratzinger letztlich tragische Gestalten, die, wie Erich und Margot Honecker, bis ans Lebensende nicht erkennen können, was sie angerichtet haben.
Dr. Johannes Fasel, 97246 Eibelstadt
Die Autorin hält Benedikt XVI. vor, in seinem überwiegend zumindest diskussionswürdigen Aufsatz „Die Kirche und der Skandal des sexuellen Missbrauchs“ gegen die Logik zu verstoßen. Erfreulich „logisch“ ist ihre Begründung: Träfen die Schlussfolgerungen des emeritierten Papstes zu, dann hätte „Pädophilie zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen werden müssen“. Laut dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung kommen „zwei neuere deutsche repräsentative Studien zu dem Ergebnis, dass etwa jeder siebte bis achte Erwachsene in Deutschland in seiner Kindheit und Jugend sexuelle Gewalterfahrungen machen musste“. Ist das etwa kein gesamtgesellschaftliches Phänomen und Problem? Und einem gesellschaftlichen Problem geht eine gesellschaftliche Entwicklung voraus, die umfassend analysiert werden muss, um das Problem wirksam angehen zu können. So verwerflich und verderblich es war, den Missbrauch im kirchlichen Bereich zu vertuschen und die Augen vor den spezifischen Faktoren zu verschließen, die diesen begünstigen, so verantwortungslos und gefährlich wäre es, die gesamtgesellschaftliche Dimension des Skandals zu negieren.
Dr. Christoph Bauer, 97080 Würzburg
Der hochbetagte emeritierte Papst Benedikt XVI kann einem beinahe leidtun, und man möchte ihm mit den Worten eines römischen Denkers zurufen: Hättet du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben. Nun aber geht es knüppeldick auf Joseph Ratzinger nieder, der über Ungeheures laut nachdachte: Satan der Leibhaftige, vielleicht in Gestalt Zügelloser wie Oswalt Kolle, Uschi Obermaier, Rainer Langhans und Dr. Sommer habe sich der Männer in Schwarz bemächtigt und Einzug gehalten in Priesterseminare und Pfarrhäuser und nachgerade den Klerus selbst zu willfährigen Opfern von Unzucht gemacht, indem er sich in die Vorstellungen und Sinne der Kirchenmänner einschlich und sie zu sündhaftem Denken und Tun verführte. Dass die staatliche Sexualerziehung der 70er Jahre als Wegbereiter die Pädophilie gefördert, die katholische Moraltheologie und ihre Glaubensvertreter aufgeweicht und anfällig gemacht habe, bleibt des Ex-Papsts kühne These. Unbestritten ist, dass Missbrauch, ob durch Priester oder durch andere, bereits vor den 70er Jahren üblich war. Er is halt ein bisserl zeitfern geworden, unser lieber guter Benedikt, was man einem 92-Jährigen nachsehen kann. Weniger dagegen einem nach nur fünf Jahren als Präfekt der Päpstlichen Glaubenskongregation ausgesonderten Kardinal Müller (71), der gewohnt harsch verkündet, dass Benedikts Äußerungen in eine Eiterbeule gestochen haben und das bislang Intelligenteste zu der Missbrauchsdebatte seien!
Gunter Bauer, 97084 Würzburg
Eine Frau wehrt sich. Der „böse, alte Papst“ hat „Giselas heile 68-Welt“ zerstört. Die Welt hält den Atem an, wer wird den Kampf „Gut gegen Böse“ gewinnen? Ein amüsanter Samstagsbrief. Frau Rauch, bitte lächeln.
Michael Reinhold, 97295 Waldbrunn
Der Empörung über das jüngste Elaborat Ratzingers kann man gerne folgen. Doch glaubt man wirklich, man könnte dem Dialektiker des „rechten Glaubens“ mit Logik, Wissenschaft oder gar Menschlichkeit beikommen? Um dessen Hirngespinsten Einhalt zu gebieten, wäre eher zu überprüfen, ob mit dem Wettern gegen die Gottlosigkeit nicht der Tatbestand der Volksverhetzung vorliegt. Aber auch das wäre geschenkt. Denn wie will man ein emeritiertes Oberhaupt einer Religion, das seine „unlogischen“ Äußerungen zum Kampf gegen die Gottlosigkeit als Ursache für den kirchlichen Kindesmissbrauch ins Feld führt, zur Rechenschaft ziehen? Da sind erst einmal die Religionsfreiheit und das Schweigen seiner Lämmer vor. Diese Freiheit und das Stillhalten der Gläubigen ausnutzend, lobt denn auch Ludwig Müller ganz unverblümt seinen ehemaligen Chef für dessen „intelligenten“ Text. Dabei zeugt dieses Machwerk eher von Scheinheiligkeit als von Heiligkeit und vom Fundamentalismus seines Autors, der wieder einmal Gottlosigkeit als Sündenbock durch die Gazetten jagt.
Frank Stößel, 97299 Zell
Der „Bayernpapst“ Benedikt sieht in der 68er Zeit einen Hauptgrund für den Missbrauch in der (seiner) Kirche. Ist das Mittelalter zurück?
Dieter Thoma, 97074 Würzburg
Wenn Sie schreiben, Papst Benedikt em. habe schon vor seiner Papstzeit als großer Denker gegolten, der besonders schlüssig zu argumentieren verstand, so irren Sie. Kardinal Ratzinger war als engstirniger, verbissener Demagoge bekannt, der die solideren Denker der katholischen Kirche mit harter Hand klein zu halten versuchte. Sein Ziel war es, die Kirche zu zerstören, und das hat er auch in einem großen Teil geschafft. Er war es, der die engen Kontakte der Glaubenskongregation mit Gruppen der CIA in die Wege leitete, um die meisten südamerikanischen Befreiungstheologen zu zerstören. Oft wurden katholische Denker erst durch den Kontakt zur Glaubenskongregation mit ihren unsäglichen Methoden auf schiefe Wege gebracht. Die Verhöre dort waren gefürchtet. Mag er vielleicht auch in seinen früheren Jahren noch etwas zu sagen gehabt haben, so war er schon lange kein großer Denker mehr. Er hat die Kirche zu einer Räuberhöhle gemacht und den Geist der Zusammengehörigkeit von konservativ und progressiv zerstört.
Christoph Cesko, 97070 Würzburg