Die Union befindet sich in heller Aufregung. Das Bekanntwerden des schamlosen Verhaltens zweier Bundestagsabgeordneter, die sich durch Lobbyarbeit an der Pandemie bereichert haben, könnte sich auf das Wahlverhalten der Bürger:innen bei den anstehenden Landtagswahlen und auch der Bundestagswahl negativ auswirken. Sie bemüht sich die Raffke-Mentalität schnell aus der öffentlichen Wahrnehmung zu tilgen - mit deutlichen Worten der Vorsitzenden, einer Ehrenerklärung etc. Um so wichtiger wäre es Aufgabe der Medien, ihrer Verpflichtung als Wächter der Demokratie gerecht zu werden. Als interessierter Leser Ihrer Zeitung erwarte ich eine kritische journalistische Stellungnahme, die die Sachlage durchleuchtet, hinterfragt und klarstellt. Der Leitartikel vom Dienstag, 9. März 2021 von H. Wais erschöpft sich aber überwiegend in der Beschreibung der sinkenden Chancen der Union bei den anstehenden Wahlen durch die genannten und weitere Vergehen (Aserbeidschan-Connection) und das wenig gute Agieren der Minister Altmaier und Spahn. Eine Betrachtung des Verhaltens der Abgeordneten in Hinblick auf unser demokratisches Gemeinwesen und Ihrer Verpflichtung "Schaden vom deutschen Volke abzuwenden" findet nicht statt. Der Artikel der MP vom 10. März suggeriert mit seiner Überschrift, dass die Union allein regieren würde und nun aktiv "schärfere Regeln für Abgeordnete" auf den Weg bringen wolle. Die Wahrheit jedoch ist: dass die Union seit vielen Jahren die Verabschiedung von Regeln verhindert, die die dringend nötige Transparenz schaffen würden erstens: zur Lobbyarbeit von Unternehmen, Interessenverbänden, Verwaltung und Abgeordneten im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren (legislativer und exekutiver Fußabdruck) und um zweitens: den Umfang von Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften der Abgeordneten offen zu legen und Regelverstöße mit Sanktionen/Strafen zu bewehren. Das fordern seit vielen Jahren Transparency International und LobbyControl , aber auch die Sozialdemokraten als Koalitionspartner, die Grünen, Linke und FDP. Der Artikel gibt nichts von diesen Anstrengungen wieder. Er verweist lediglich auf den CSU-Fraktionschefs im Landtag Kreuzer, der "persönlich Änderungen der Verhaltensregeln nicht (aus)schließe". Welch Schärfe und Deutlichkeit! Der stv. Fraktionsvorsitzende der Union, H. Frei verweist im Interview auf den "gewaltigen Schritt hin zu mehr Transparenz", den man nun aufgrund des mit der SPD verabredeten Lobbyregisters unternehmen würde. Keine Nachfrage oder Hinweis bezüglich der weitergehenden Forderungen der SPD zu diesem Politikfeld. Kein Verweis auf die Folgen für die Glaubwürdigkeit aller Volksvertreter:innen und die Beschädigung unserer Demokratie? Oder ist die Sicht von H. Laschet auch die Ihrige? Er meint mit Bezug auf den H. Amthor und die nicht vorhandenen, weil durch die Union bis heute verhinderten schärferen Regeln/Gesetze , "der habe nichts Rechtswidriges gemacht"? Der Mangel an klarer Berichterstattung und Kritik über das aktuelle Ereignis hinaus, das was man Ausdruck von Haltung nennt, ist für mich die Bestätigung der Richtigkeit einer Äußerung eines Professors für Medienpsychologie. Er sprach von einer "Kumpanei der Medien", die dazu beitragen würde, dass die Politik sich so langsam bewege und unserer Demokratie damit schade.
Bernd Moser, 97318 Kitzingen