Es hätte ein großer Abend werden können. Die Tauberphilharmonie und ihre Akteure versuchten, der Kultur – nach monatelangem Stillstand – wieder eine Bühne zu geben. Wäre da nicht die telefonische Ankündigung in letzter Minute, dass das Konzert für die auf gerade einmal 100 Besucher reduzierte Besucherschar, nicht in dem für 600 Teilnehmer ausgelegten Saal stattfinden zu lassen, sondern im Open Air-Format – auf dem Vorplatz. Die amtierenden Bürokraten im Tauberbischofsheimer Landratsamt haben buchstäblich in letzter Sekunde noch eine Vorschrift entdeckt, mit der sich die Bürger weiter reglementieren und buchstäblich vor die Tür setzen lassen – und das bei einem Inzidenzwert von unter 30. An der formaljuristischen Begründung der Kreisverwaltungsbehörde wird vermutlich nicht zu rütteln sein. Haben die Corona-Verordnungen inzwischen einen inhaltlichen, als auch einen formalen Umfang angenommen, welcher widersprüchlicher nicht sein kann und sich immer mehr zu einem Irrgarten auswachsen. Eine ideale Spielwiese für vollkaskoversorgte Politfunktionäre in den Ämtern. Spätestens seit dem Konzert von Tim Bendzko am 22. August letzten Jahres – mit weit über 1000 Besuchern – gefördert von der Landesregierung Sachsen und kuratiert durch die Uniklinik Halle (Forschungsprojekt „Restart 19“) ist es evident, dass auch Großveranstaltungen ohne nennenswerte Ansteckungsgefahren stattfinden können. Folgestudien kommen zum exakt gleichen Ergebnis. Dass es schon längst nicht mehr in erster Linie um Prävention, sondern um Bevormundung und Dominanz geht, wurde spätestens in dem Moment sehr deutlich, als das Aufsehen erregende und außerordentlich erfolgreiche „Tübinger Model“ durch eine allgemein verpflichtende Corona-Verordnung ausgebremst wurde. Die kulturelle Übergriffigkeit der politischen Entscheidungsträger wird so lange anhalten, wie sich die Bürger diese Kulturknebelung bieten lassen.

Erhard Schauer, 97285 Röttingen