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Künstler arbeiten unter schwierigen Umständen und arragieren sich
Zum Samstagsbrief "Ihre Flucht von der Bühne hatte Klasse, Helge Schneider!" (31.7.):
Redaktion
 |  aktualisiert: 16.08.2021 02:39 Uhr

Ich bin freischaffender Schlagzeuger/Percussionist und toure weltweit mit Musikprojekten und Workshops.

Mit Verwunderung habe ich Ihren Samstagsbrief an Helge Schneider gelesen und mich danach gefragt, ob Sie wirklich in den letzten 1,5 Jahren in Deutschland gelebt haben oder vielleicht Ihr Homeoffice auf die Bahamas verlegten?

Wir sind als Künstler und Kulturschaffende durch die schwerste Zeit unseres Lebens gegangen, haben weder gewusst, wie wir existieren können noch, ob unser kreatives Leben irgendwann wieder stattfinden wird (Auftritte und Tourneen).

Nur am Rande seien die vielen Veranstalter, Messebauer, Konzertagenturen erwähnt, die insolvent sind  oder aber in Kurzarbeit.

Umso mehr sind wir Künstler froh, wieder arbeiten zu dürfen, wenn dies auch mühsam, mit vielen Regulatorien und Kompromissen einhergeht. Wir haben das Gefühl, langsam wieder in die Normalität zurückzukehren.

Helge Schneider ist für mich eine der wichtigsten Kunstfiguren unserer Zeit und in seinen Fähigkeiten über alle Zweifel erhaben.

Er hat genau gewusst, was ihn bei seinem Auftritt erwartet und hatte sich von diesen Rahmenbedingungen deutlich distanziert (Interwiew Stern Magazin von 20.5.20). Zitat: “Ich werde weder in Autokinos noch auf Streamingplattformen auftreten und sicher auch nicht vor Menschen mit 1,5 m Abstand und Maske.Da warte ich lieber bis Normalität einkehrt oder gehe in Rente“.

Schon vor 6 Wochen auf den Ruhrfestspielen hatte er lustlos eine Stunde absolviert und war dann kommentarlos von der Bühne gegangen. Er ist trotzdem wieder aufgetreten…..!

Sie vergleichen Helge Schneiders Verhalten mit Stefan Lindner und attestieren beiden Rückgrat.

Dies ist für mich ausschliesslich ausgelebter, ultimativer Narzissmus  und die Feigheit eine Situation anzunehmen, zu improvisieren, das Beste daraus zu machen, mich zu arrangieren und mir meiner Vorbildfunktion bewusst zu sein.

Änderungen an den Rahmenbedingungen können nach dem Konzert gern angebracht , gegebenenfalls Konsequenzen gezogen werden, aber zunächst muss ich mich der Situation stellen!

Wir Künstler in der 2. Bundesliga (um in Fussballdimensionen zu sprechen) arbeiten nun schon länger  unter genau diesen schwierigen Umständen und arrangieren uns, sind froh über jeden Auftrag der unsere Existenz sichert und machen jeden Tag Zugeständnisse in dieser besonderen Zeit.

Wie wichtig wäre das Zeichen für die Kultur gewesen, wenn auch Szenegrössen wie Helge Schneider wieder regelmässig auftreten würden, nach dem Motto “Wir sind wieder da, es gibt uns noch und wir haben etwas zu sagen!"

Für uns grenzt Ihr Artikel an die bodenlose Arroganz eines unwissenden Redakteurs, der sich weder die Mühe macht, sensibel in die Kunstszene hineinzuhören noch (wie unser millionenschwerer Helge Schneider) darüber nachdenken muss, wie es existentiell weitergeht, denn auch Ihr gehalt ist ja pünklich zum Monatsersten auf dem Konto.

Eine Entschuldigung an die Kunstszene wäre mehr als angebracht!

 Matthias Philipzen, 97074 Würzburg

 
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