Karl Marx hatte kein ausgesprochen entspanntes Verhältnis zur Religion – zu Religionen überhaupt. Seine diesbezügliche Metapher vom „Opium fürs Volk“ ist bekannt. Und bis gegen Ende des letzten Jahrtausends konnte man einigermaßen zuverlässig davon ausgehen, dass seine zeitgenössischen Jünger, die heute Sozialdemokraten heißen, im großen Ganzen auch suchtresistent seien. Indes, da hat sich einiges geändert: Nicht nur, dass Sozialisten heute nach „langem Marsch durch die Instanzen“ Spitzenfunktionäre der evangelischen Kirche stellen, nein, allein Kritik am „Wesen der Religion“ oder auch nur an einer ihr zugrunde liegenden oder von ihr propagierten Ideologie trifft heute den blank liegenden Nerv einer ziemlich kachektischen Partei. Das Beispiel Thilo Sarrazin, genauer der Umgang „seiner“ Partei mit dessen in aller Regel wohl fundierten Urteilen, Perspektiven und Schlussfolgerungen fördert eine nie für möglich gehaltene intellektuelle Erosion zu Tage. Zum dritten Mal wird da nun zur Parteiausschluss-Jagd geblasen; gegen die Grundsätze der Partei habe er verstoßen. Interessant zu hören: Wahrheit gehört also nicht zu den Grundsätzen der Partei? Dieser Partei.
Dr. B. Kostuch, 97980 Bad Mergentheim