Mit keinem Wort erinnert der Minister an die Opfer des Kolonialismus und Militarismus, an die Aufteilung Afrikas durch die europäischen Kulturmächte im Jahr 1884. Die Kolonialmächte haben über Jahrhunderte afrikanische Menschen, Rohstoffe und Kunstwerke geraubt und entführt, Menschen zu Kanonenfutter entwürdigt. Eine Gedenkkultur, gerichtet gegen den kulturellen Hochmut der Kolonisatoren, mit dem emphatischen Blick auf die Opfer des Kolonialismus und mit der Anerkennung derer, die Widerstand leisteten (und leisten) gegen Folter, die „transatlantische Versklavungsökonomie“, Landraub und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, steht auch in Deutschland aus. Das Plädoyer für eine Dekolonisierung der Bundesrepublik verlangt, afrikanische Menschen nicht als „Unterentwickelte" zu verachten, nicht von ihrer Entwicklung zu sprechen, sondern auf ihre Befreiung zu hoffen. Der senegalesische Ökonom Felwine Sarr umreißt eine politische und ökonomische Vision, die sich aus den kulturellen und philosophischen Ressourcen einer afrikanischen Tradition speist. So habe Nelson Mandela der Maxime der Ubuntu-Philosophie („Ich bin, weil wir sind“), dem Respekt der Menschlichkeit des anderen den Vorrang gegeben. Afrika sollte als „Erstgeborener der Menschheit“ (Sarr) zügig den selbst gewählten Weg gehen, seine Bevölkerung ernähren und bilden. Dazu gehört, sich vom herrschenden Modell der Wohlstandsproduktion und -akkumulation zu befreien und große Verantwortung gegenüber der Umwelt zu tragen.
Prof. Dr. Arnold Köpcke-Duttler,
97199 Ochsenfurt