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Ein unglückliches Gottesbild erschwert Schritte in Richtung des höchsten christlichen Zieles
Zum Artikel "Das Kreuz als Zeichen der Hoffnung" (3.4.):
Redaktion
 |  aktualisiert: 16.04.2021 02:16 Uhr

Lieber Herr Wiedemann, mit Ihrer Beobachtung der einseitigen Leidenssicht Jesu im Bereich der kirchlichen Malerei und Bildhauerei erzielen Sie wirklich einen „Treffer“, so wie es Ihnen Prof. Dombrowski bescheinigte. Die abgefragten Erklärungen für dieses Phänomen wirken auf mich aber nicht so recht überzeugend. Das hier ist ein Leserbrief, ich muss mich kurzfassen, daher keine näheren Begründungen. Ich möchte nur einen vertieften Erklärungsansatz anbieten: Durch die auffällige Betonung vom Kreuzestod Jesu wird auch die alttestamentliche Sicht auf die Heiligkeit Gottes mit Ihrem Verlangen nach Sühne lebendig gehalten. Das steht aber im starken Gegensatz zur Lehre Jesu, der als höchsten Wert die „Liebe zu Gott“ und ein tiefenentspannt kindliches Vertrauen zum „himmlischen Vater“ predigte. Vermutlich war den etablierten Kirchenführern die alttestamentliche Sicht nicht unlieb. So konnte das Leitbild des Priesters als Vermittler gegenüber einem fernen und zürnenden Gott leichter aufrechterhalten werden. 
Mir geht es aber um kein „Kirchen-Bashing“. Ich bin interessiert an den weitreichenden Folgen in meinen privaten Überlegungen. Wie denke ich wirklich über Gott? Eine Antwort ist leicht gefunden durch eine kleine Imagination: Wenn ich mir vorstelle im Jenseits zum ersten Mal dem Herrgott zu begegnen, wie reagiere ich? Wende ich mich spontan ab, ballen sich meine Fäuste, besinne ich mich ganz schnell auf das „was ich dem schon immer mal sagen wollte“ oder erhellt sich mein Gesicht und ich laufe total erfreut in seine Richtung los? Wenn mir in meinem Leben das spirituelle Leitbild eines für mich liebevoll sorgenden, auf meine Einsicht sehnsüchtig wartenden Gott-Vaters nicht nähergebracht worden ist, dann habe ich auch kaum Ansporn, mich mit den Ursachen meiner durch schmerzhafte Lebenserfahrungen verursachte stille Gottes-Ablehnung zu beschäftigen. So wird Gott leicht zum jenseitigen Sündenbock, weil ich den diesseitigen Tätern nicht in die Augen schauen mag. 
Leider kenne ich nur erstaunlich wenig Menschen, die bereit sind, die Ursachen für ihre eigenen Anteile in ihren persönlichen Konfliktverstrickungen offen zu suchen. Wie wurde ich zu dem, was ich heute bin und was hat mein aktuelles Alltagsverhalten mit meinen Lebensverletzungen zu tun? So wie jede Liebe ruht auch das Vertrauen zu Gott auf den drei entscheidenden Grundlagen der Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit. Wer sich diese zentralen Werte nicht in seinem Leben erarbeitet, wird mit der neutestamentlichen Sicht auf Gott in aller Regel seine Probleme haben. Als Kennzeichen des Erfolges kann die sich langsam einstellende persönliche Gelassenheit gelten. Immer wenn ich sauer werde, steht also das Entwirren einer weiteren „Verknotung“ in meinem Leben an.
Damit schließt sich mein gedanklicher Kreis. Ein unglückliches Gottesbild erschwert Schritte in Richtung des höchsten christlichen Zieles. Jesus als Erlöser setzt viel leichter neutestamentliche Energien frei. Angst kann man allerdings mit diesen Gedanken den Menschen nicht mehr machen - vielleicht sind sie deshalb auch nicht sehr beliebt. 

Arnold Willnat, 97616 Bad Neustadt

 
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