„Wir schaffen den Soli für fast alle ab.“ „Rund 90 % der Lohn- und Einkommensteuerzahler*
innen werden vollständig von der Zahlung befreit.“ „Größte Steuersenkung der
Geschichte“ - So kann man die offiziellen Verlautbarungen des Bundesfinanzministeriums nachlesen. Fast
wortgleich konnte man die Nachricht zum Jahreswechsel in vielen Medien lesen und hören.
Unterhalb eines zu versteuernden Einkommens von ca. 62 000 Euro für Ledige wird der Soli zum
01.01.2021 vollständig abgeschafft. Bei höheren Jahreseinkommen bis zu ca. 96 000 Euro wird er
teilweise erhoben. Bei darüber hinaus gehenden Einkommen wird er unverändert erhoben. Für
Verheiratete gelten die doppelten Euro-Grenzen.
Doch stimmt das? Von den sieben steuerlichen Einkunftsarten gilt das für sechs. Nicht jedoch
für „Einkünfte aus Kapitalvermögen“ sofern der jährliche Freibetrag von 801 bzw. 1602 Euro
p.a. überschritten wird. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zählen neben den Zinsen
(hier gibt es wohl kein Problem) auch Dividenden und Erlöse aus dem Verkauf von
Wertpapieren. Diese Einnahmen werden aktuell pauschal mit 25% besteuert. Auch der
Solidaritätszuschlag von 5,5 % wird hier weiterhin direkt und in voller Höhe an das
Finanzamt abgeführt. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung kann eine teilweise
Rückerstattung erfolgen falls der individuelle Steuersatz geringer als die abgeführten 25%
zzgl. Soli ist. Doch erst mal ist das Geld weg.
Wer meint, dass ihn das nicht betrifft, sollte in nächster Zeit mal seine entsprechenden
Bankabrechnungen genauer anschauen. Und der Einbehalt des „Soli“ gilt unabhängig von den
vorgenannten Einkommensgrenzen. Wer sich also ein Wertpapierdepot angespart oder geerbt
hat wird hier schnell betroffen sein, sobald Dividenden ausgeschüttet oder ein Wertpapier mit
Gewinn veräußert wird. Das gilt natürlich auch für alle Besitzer von Belegschaftsaktien.
Weshalb diese Diskriminierung der „Einkünfte aus Kapitalvermögen“ gegenüber
Lohneinkommen, Renteneinkommen, gewerblichen Einkommen, Mieteinkommen etc.? Liegt
es etwa am Parteibuch des zuständigen Ministers und dessen Interpretation von
Kapitaleinkünften als „schlechtem, weil leistungslosem Einkommen“. Steuergerechtigkeit und
die dringend notwendige Förderung der privaten Vermögensbildung zumindest sieht anders
aus.
Mag man dies jetzt noch als gelungenes Marketing oder Wahlkampfauftakt von Herrn Scholz
bezeichnen, dass die Diskussion hierüber noch nicht in der Bevölkerung angekommen ist, so
werden die Zitate aus dem Ministerium wohl in einem Jahr offiziell als „Lüge“ zu bezeichnen
sein. Denn der Soli bleibt über diesem Weg für weitaus mehr als 10% der Steuerzahler,
unabhängig vom Einkommen, erhalten.
Reinhard Pfenning, 97072 Würzburg