Der am Ende für Franken erfolgreiche "Dreißigjährige Krieg" um seinen internationalen Rechtsschutz fordert offenbar doch noch ein prominentes Opfer. Es ist der der Bocksbeutel selbst. Spätestens seit Beginn des 18. Jahrhunderts wurde die für Weinfranken typische Flaschenform ausschließlich höherwertigen Weinen der Region vorbehalten. Endgültig zementiert in der Neufassung des Deutschen Weinrechts im Jahr 1971. Es war ein wichtiges Argument des Fränkischen Weinbauverbandes vor dem Europäiscgen Gerichtshof in Luxemburg und gegenüber der Brüsseler EU-Kommission. Dem damaligen Bundeslandwirtscgaftsminister Ignaz Kiechle (CSU) aus dem bayerischen Allgäu war es letztlich zu verdanken, diesen einhelligen Wunsch der fränkischen Winzer in der Europäischen Union 1990 und seither auch in multilateralen internationalen Handelsabkommen durchzusetzen.
Die bekannten Folgen des Klimawandels, wie auch fortschrittliche Verfahren der Weinbergsbewirtschaftung führen in den zurückliegenden Jahren dazu, den Qualitätsstandard des Frankenweins ständig weiter zu verbessern. Entsprechend müsste der Anteil der jährlichen Bocksbeutelfüllungen eigentlich höher sein als je zuvor. Zumindest höher als bei der seinerzeitigen rechtlichen Durchsetzung des Bocksbeutels als renommierter Dachmarke für Frankenwein ganz allgemein und im Besonderen. Doch das Gegenteil ist inzwischen der Fall. Die heute Verantwortlichen in Würzburg und Veitshöchheim setzen andere Prioritäten.
Ausschließlich die klassisch fränkische Rebsorte des Silvaners soll's sein, obwohl deren Flächenanteil nur ein Drittel des Anbaugebiets beträgt. Man wirbt damit indirekt beispielsweise für Weine aus Rheinhessen als größter deutscher Silvaner-Region. Im Berliner Einzelhandel für 2,99 Euro die Literflasche erhältlich. Die Jahreszahl 1659 als erster Pflanzung des Silvaners ist für sich kein Qualitätsmerkmal. Gleichzeitig denunziert man seit Jahren alles als antiquiert, was früher erfolgreich war. So diente die Einführung einer vorgeblich modernen Bocksbeutelform "PS" unter dessen Namensinitialen nicht zuletzt den wirtschaftlichen Interessen jenes Hamburger Designers, der anhand seiner ursprünglichen Herkunft als "Franke" popularisiert werden sollte. Die Umstellung auf moderne Abfüllanlagen war mit weiteren Zusatzkosten für die Erzeugerbetriebe verbunden. Das Schutzargument erschwerten Handlings des Bocksbeutels im Gastgewerbe und beim Verbraucher ist so alt wie überholt.
Gleichzeitig lassen die überregionalen Auftritte des Frankenweins auch außerhalb Bayerns seit vielen Jahren deutlich zu wünschen übrig. Das Stichwort müsste lauten Berufsständische Öffentlichkeitsarbeit für den originär fränkischen Bocksbeutel. Nicht zuletzt auch in Bayern selbst. Das erfordert Arbeit der Verbandsvertreter vor Ort. Nicht nur bei vorgegebenen offiziellen Anlässen. Sich stattdessen auf Agenturen, Fachbehörden, subventioniert "Magische Orte" in der Landschaft oder jeweilige Weinkönigin zu beschränken, erscheint mir allzu bequem. Mittels Umstieg auf Allerwelts-Weinflaschen anstelle des traditionellen Bocksbeutels verliert der Frankenwein eines seiner wichtigsten, wie unverwechselbaren Wesensmerkmale. Statt eines gekonnten Marketing-Mix wird er für die meisten Verbraucher austauschbar. Das haben Bocksbeutel und Inhalt von Klasse nicht verdient.
Jochen Freihold, 14052 Berlin