Alle Jahre wieder sind Politiker und Experten schon ganz aufgeregt, wenn die neuesten Ergebnisse der Pisa-Studie veröffentlicht werden. Unser Platz im oberen Drittel ist gut, aber offensichtlich nicht gut genug. Nun hecheln wir mit unserem „altmodischen Bildungssystem“ Singapur hinterher, das fast ausschließlich auf digitale Medien setzt. Also los: Wir brauchen mehr, schnellere und intelligentere Computer. Was hat die Gier nach Höchstleistungen nicht schon alles angerichtet: Eine Orthopädin erzählte mir neulich, dass in ihrer Praxis nahezu alle Gymnasiasten unter Verspannungen leiden. Das Hervorschießen immer neuer Nachhilfe-Institute lässt die Belastungen in zahlreichen Familien erahnen. Computersucht ist mittlerweile eine weit verbreitete Krankheit unter Jugendlichen. Wir inszenieren im Augenblick an unserer Schule Shakespeares „Macbeth“. Die Prophezeiungen der Hexen, die von dem Protagonisten Besitz ergreifen und das Äußerste aus ihm herausholen, erinnern sehr an die Verkündungen unserer Experten. Auch sie bemächtigen sich unserer Köpfe. Sie setzen uns den Floh ins Ohr, dass wir eine immer höhere Platzierung brauchen, und provozieren damit eine kollektive Hysterie.
Ich persönlich habe die große Freude, mit Schülern arbeiten zu dürfen, die sich auszeichnen durch Begeisterung, Lust am Lernen, Anstand, Kreativität, Herzensbildung, Lebensfreude und eine persönliche Handschrift in Schriftbild und Charakter. Aber dies steht leider nicht auf dem Prüfstand der „Bildungsexperten“.
Siegfried Hutzel, 97297 Waldbüttelbrunn