Wollten es die Medien, dann würde Günther Jauch oder Franz Beckenbauer Bundespräsident werden. Darauf wettet ein Leser. Der Nachweis für einen Wettgewinn lässt sich aber kaum erbringen, wenn die Medien nicht tatsächlich auf Jauch oder Beckenbauer setzen.
Doch wie sollte das gehen? Trotz einiger Zusammenschlüsse und Kooperationen gab es in Deutschland (2009) rund 130 selbstständige publizistische Einheiten, darunter 330 Lokal- und Regionalzeitungen, zehn Überregionale und acht Straßenverkaufszeitungen, 27 Wochenzeitungen und sechs Sonntagszeitungen. Hinzu kommt eine Vielzahl von TV- und Hörfunksendern. Deren Verantwortliche sollen sich zusammenfinden und auf eine gemeinsame Kampagne einigen können? Undenkbar, auch ohne die publizistische Verantwortung, die ihnen viel bedeutet, ebenso wie Eigenständigkeit und Unabhängigkeit. Freilich kennt die Medienwelt den „mainstream“. Der könnte so aussehen, dass wenige bundesweit verbreitete Medien, etwa Spiegel, Bild und ein privater TV-Sender, auf einen der Promis setzen. Andere würden über deren gezielte Veröffentlichungen zumindest berichten, auch ohne sich die Botschaft zu eigen zu machen. Einige würden nicht genug auf Distanz gehen oder sich sogar hinter den Kandidaten stellen. Die Summe der Berichterstattungen und Kommentierungen, ein medialer Hauptstrom (mainstream), könnte dann den falschen Eindruck erwecken, alle Medien wollten dasselbe.
Politiker mit Verantwortung und Selbstbewusstsein – ich unterstelle es den meisten – ließen sich davon nicht so beeindrucken, dass sie Jauch oder Beckenbauer der Bundesversammlung zur Wahl vorschlagen würden. Sie denken schließlich auch an Wähler, hier Medien-Nutzer. Oder würden Sie als Leser sich einen der Stars für dieses Amt bieten lassen? Wohl kaum. Und mündige Bürger kennen Wege, Ablehnung öffentlich wirksam zu machen. Bevor mich, den Vertreter klassischer Medien, User, Blogger und die ganze Internetgmeinde steinigen, erkenne ich an, dass die Präsidentschaftswahl in den USA schon übers Net entschieden worden sein soll. Eine unüberschaubare Masse von Nachrichten und Meinungen findet dort Abnehmer – auch bei uns. Darunter auch guter Journalismus.
Macht und Stärke entstehen dann aber nur aus Gemeinsamkeit, nicht alleine aus der Masse, die uns auf vielfältigsten Kanälen erreicht. Also wette ich dagegen: Medien wollen und könnten Jauch oder Beckenbauer nicht zu Bundespräsidenten machen. Dabei setze ich natürlich auch auf Sie, die Leserschaft.
BECKENBAUER ein richtig geldgeiler bayrischer DEPP...gut für die Erdinger-Werbung - zu sonst aber NICHTS
Ihr häufiger Hinweis auf die Mündigkeit des Bürgers trifft jedoch auf Zweifel. Natürlich hat jeder die Möglichkeit, sich seine Meinung zu bilden. DIes lenkt jedoch den Blick weg vom Umfeld, in dem Meinung entsteht - und da könnte es unterschiedliche Sichtweisen geben.
Aus eigener leidvoller Erfahrung mit dem, was man so mitkriegt, werden Meinungen, Werte und Überzeugungen sehr häufig nicht authentisch "aus sich heraus", sondern über Rituale der "social correctness" bzw. "political correctness" virtuell erzeugt. Oft handelt es sich dabei um ritualisierte Massenveranstaltungen (egal, ob das jetzt "Dschungelcamp" oder "Wulff" ist), bei denen man auf Basis "zertifizierter Correctness" (oft in Vertretung für eigene Werte und innerste Überzeugungen) demokratische "Meinungen" "selbst"-bewußt nach außen vertreten kann. - "Selbst"-bewußt deshalb, weil das in der Epoche der Egozentrik die höchste wahrnehmbare Bewusstseins-Stufe zu sein scheint.
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, gab es meines Wissens nie zuvor eine Epoche, in der Individualitätswahn und (situativ) weitreichende geistige Gleichschaltung in ihrem Widerspruch gleichzeitig so deutlich hervorgetreten sind, wie in unseren heutigen Zeiten. - In absolutistischen Systemen war man von oben reguliert und hat persönlich gekuscht - in den 68ern hat man sich gegenüber "oben" dereguliert und individualisiert gehandelt - heute ist man von "freiheitlichen" Zwängen der Gesellschaft reguliert, meint aber, "frei" zu handeln. (Hoffentlich checkt das Gauck auch, wenn er schon das Thema "Freiheit" so forciert).
Vorkommnisse der letzten Monate und Jahre haben nicht dazu beigetragen, diesen Eindruck zu relativieren. - Wenn Sie da weniger pessimistisch sind als ich, ist uns beiden zu wünschen, dass Sie recht haben. - Wie auch immer: Dieses Thema sollte nachhaltig beobachtet werden - auch im Interesse der Medien.