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Wenn Kritik am Verhalten eindeutig zweideutig wird, sollte es ein Stadtrat ertragen können
Redaktion
 |  aktualisiert: 24.10.2011 07:59 Uhr

Zu tief in die Schüssel gegriffen? Diese Frage stellte sich dem Deutschen Presserat nach der Beschwerde eines Stadtrates, der sich durch eine Glosse unserer Zeitung in seiner Ehre verletzt sieht. Der Presserat hat nicht in seinem Sinne entschieden. Ich versuche, die von mir kurz gefasste Presseratsentscheidung zu erklären, ohne dass die betroffene Person über das Gebiet der Lokalausgabe hinaus, in der die Glosse erschienen ist, erkennbar wird. Mir geht es vielmehr um Grundsätzliches.

Der Glosse zugrunde liegen wiederholte Stadtratsdiskussionen über ein öffentliches WC. Jener Stadtrat meldete sich dazu häufig zu Wort. Das schlug sich in den Berichterstattungen nieder, mit deren Inhalt er auch nicht immer einverstanden gewesen ist.

In jener regelmäßig erscheinenden lokalen Glosse, aus der eine fiktive Tiergestalt spricht, stand geschrieben: „Der (hier las man den Namen des Stadtrates) war auf dem Weg, sich als Kloologe hohes Ansehen zu erwerben, hat aber nun tief in die Schüssel gegriffen. <....> Dass er damit auch die (hier stand die Tiergestalt)-Post in den Lokus, äh: 'Focus' rücken wollte, ging dann mal in die Hose.“ – Überschrieben war die Glosse mit „Dr. Toi und die Tücke des Objekts“.

Glossen sind satirische Betrachtungen. Journalisten üben mit dieser Stilform gerne Kritik. Die ist dann ironisch, zugespitzt oder zweideutig. Letzten Anstoß dazu gab im vorliegenden Fall die Erklärung jenes Stadtrates, dass er selbst diverse Toiletten inspiziert habe.

Nun entschied der Presserat, dass unsere Zeitung mit der Glosse den Schutz der Ehre nicht verletzt hat. Er erkannte keine Schmähkritik. Die gewählten Formulierungen seien, so wörtlich, „sicherlich sehr scharf“. Entscheidend sei aber, dass die damit „geübte Kritik einen Sachbezug hat“.

Der Presserat räumt ein, dass sich bei den verwendeten Wortspielen und Assoziationen Fragen des Geschmacks stellen können. Über Geschmacksfragen urteile er aber nicht.

Die Redaktion hat den in diesem Zusammenhang eindeutig zweideutigen Sprachgebrauch dem Volksmund zugeordnet, der gerade in eine lokale Satire passt. Sie hat sich dafür nicht entschuldigt, wie es der Stadtrat wollte. Sollte man doch als Kommunalpolitiker auch mal scharfe Kommentierungen von Verhalten ertragen können. Die gehören auch zu den Aufgaben von Medien.

Auch Leser urteilen über satirische Zuspitzungen unterschiedlich. Das ist meist wirklich eine Frage des Geschmacks – wie im vorliegenden Fall. Vor diesem Hintergrund vermag ich auch die Beschwerde des betroffenen Stadtrates zu verstehen.

 
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  • ...an hand der heutigen gegenkommentare; ...hat es mich wieder bewegt dazu etwas zu diesem Thema zu schreiben, mich teilweise zu korrigieren.
    ...das verstehen des feinen humors ist wahrscheinlich regional auch sehr verschieden. vielleicht sollte man diesbezüglich auch maßeinheiten einführen, die maßeinheit der tellerrrandhöhe. gerade hier in unterfranken ist die tellerrandhöhe enorm hoch, deshalb wohl auch wenig verständnis für satire etc. mit schwarzen britischen humor wüden sie auch das gros der einheimischen enorm überfordern.
    denke, das hängt nicht vom schulischen bildungsniveau ab, sondern wirklich von der gegend. hier ist eher derber humor a la komödienstadl angebracht, allerdings auch nur mit dem hinweis, dass es sich um humor handelt. ansonsten wird es falsch ausgelegt und der autor gekreuzigt. man kann deshalb kaum verlangen, dass zwischen den zeilen gelesen und verstanden wird. normalerweise bildet viel lesen den menschen, aber in einer gegend, wo hauptsächlich arztromane konsumiert werden, dann muss man sich auch darauf einstellen.
    denke hier in unterfranken müssen sie sich mit der satire verkneifen und regional angepasst eine plumpe berichtserstattung abliefern, des verstehens aller willen.
    mal versuchen, bezüglich der maßeinheit tellerrandhöhe eine mathematische formel zu entwickeln zwinkern
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  • ...da glossen, satire, ironie etc. eher einem zweideutigen schwert zuzuordnen sind, da kann es mal passieren, dass sich der eine oder andere auf den schlips getreten fühlt. noch schlimmer dann, wenn es zur persiflage ausartet.
    das liegt zum einen teil an der unfähigkeit des "durch-den-kakao-gezogenen" diese art von humor zu verstehen(siehe wikipedia - ironie) aber andererseits kann man auch von einem bewussten missverstehen ausgehen. während ersteres eher geistig bedingt ist, so ist letzteres auf humorlosigkeit und kritikimmunität zu schliessen.
    Satire ist eine Spottdichtung, die mangelhafte Tugend oder gesellschaftliche Missstände anklagt.
    tja,Herr Sahlender, das leben als Pasquillant ist halt nicht einfach, da gibt's eben doch viele Menschen, die den Autoren am liebsten auf dem Scheiterhaufen sehen würden. Aber nur dann, wenn es die eigene Person betrifft, trifft der Spott andere, da ist man freizügiger zwinkern
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  • antonsah
    Wir sind keine Pasquillanten, auch wenn es uns gelegentlich Betroffene vorwerfen ... Unser Ziel ist es aber nicht, jemanden in seiner Ehre zu verletzen.
    Anton Sahlender, Leseranwalt
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  • ...indem ich Pasquinade ins Spiel brachte, denn dieses ist oftmals weit unterhalb der Gürtellinie. In meinen Augen die absolut höchste Form der Persiflage, die Steigerung wäre dann letztendlich die direkte Beleidigung. eine Grauzone, wo ihnen der Presserat sehr auf die Füße treten täte. ...sorry!
    Im Prinzip langt doch schon die leichteste Persiflage mit den dünnsten Untertönen, um die Gegenseite gegen sich aufzubringen. Gerade dies ist doch eine übliche Waffe des Journalismus, um zwischen den Zeilen auf gewisse Missstände hinzuweisen. Doch auch schon da zeigt sich die Humorlosigkeit sehr, sehr vieler.
    Und trotz allem, wenn mich viele zerreißen wollen, das persiflieren macht einfach Spaß, vor allem die Reaktion darauf.Und wenn dann noch mit lauthalsen primitiven Beschimpfungen geantwortet wird, dann hat es ihr Ziel erreicht, dann erst kann man sich köstlich amüsieren.
    Egal ob Satire, Ironie oder Persiflage, Ziel ist es einfach, auf den Schlips zu treten.
    Und dann auch noch die Zweideutigkeit, dann ist man auch noch darüber erhaben, dass man einem etwas ans Zeug flicken will, vor allem dadurch, weil manchen dieses als juristisch grenzwertig auslegen wollen. und da zwischen juristischer und journalistischer Grenzwertigkeit auch noch ein breites Feld liegt, so habe ich ihnen sogar den vorteil, wesentlich tiefer zu bohren; sie haben eben den Presserat im Nacken; Berufsrisiko! zwinkern
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  • antonsah
    Die Medien haben in einem freiheitlichen Staatswesen eine Kontrollfunktion. Es gibt für betroffene Politiker die Möglichkeit der Stellungnahme. Ob die genommen wird, ist in der Tat Entscheidung der Redaktion. Sonst wäre sie nicht unabhängig. Das ist Teil der Pressefreiheit. Ein Spannungsverhältnis zur Politik ist gewollt. Ansonsten sind Medien an rechtliche und ethische.Regeln gebunden.
    Anton Sahlender, Leseranwalt
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  • Aber Betroffene fragen sich eher, ob es richtig ist.
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  • antonsah
    So ganz vermag ich die Betroffenen-Frage nicht zu verstehen. Ich denke aber, dass Sie das meinen, was auch am Ende meiner Kolumne steht... Grundsätzlich wird in der Rechtssprechung die Meinungsfreiheit hoch bewertet, zumal in Medien. Öffentliches Interesse und alles was damit zusammenhängt wiegt in der Güterabwägung meist schwerer gegenüber den individuellen Persönlichkeitsrechten. Entscheidend ist allerdings immer der der Einzelfall.
    Anton Sahlender, Leseranwalt
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  • * Es gibt einen Verfassungsauftrag für Medien (dafür gibt es mehr als gute Gründe),

    * dieser Verfassungsauftrag äußerst sich in Berichterstattung durch unabhängige Medien (auch das ist gut so),

    * diese Berichterstattung wird überprüft durch Gerichte, falls ein Betroffener klagt (das ist normaler rechtsstaatlicher Usus, kommt aber selten vor),

    * diese Berichterstattung wird bei Bedarf ebenfalls überprüft durch die Hüter des Pressekodex (auch gut),

    aber für Betroffene - also Menschen, über die falsch oder tentenziell berichtet wird, gibt es DE FACTO keine Lobby. Natürlich sind die Medien nicht verpflichtet, eine Lobby für ungerechtfertigt Betroffene von Presseveröffentlichungen zu schaffen. Natürlich liegt im Streitfall die Beweislast beim Betroffenen. Mit anderen Worten: Ein Journalist müßte schon kriminelle Energie umsetzen, damit man als Betroffener dagegen angehen zu können. Und da Journalisten in aller Regel wirklich nicht kriminell sind, kann man als Betroffener nicht oder nur schwerlich wirksam gegensteuern, wenn wieder mal was da steht, was "so" eigentlich nicht stimmt.

    Mir geht es doch gar nicht um irgend welche Einschränkungen journalistischer Arbeit, sondern um eine klare Ansage an die Bevölkerung, die da heißen könnte.

    "Liebe Leute, aus vielen, auch historischen Gründen ist der freien Meinungsäußerung ein hohes Gewicht einzuräumen, selbst wenn damit Persönlichkeitsrechte regelmäßig geschrammt, seltener auch verletzt werden. Deshalb lernt, Medienberichte beim geringsten ZWeifel nicht zu Lasten derer zu interpretieren, über die berichtet wird."

    Das funktioniert aber nicht, weil die Tendenz des Journalismus zur "Story" noch bei weitem übertroffen wird durch die Tendenz des Volkes, solche "Stories" aufzubauschen und zu emotionalisieren. - Jetzt können natürlich die MEdien sagen: "Ist nicht unser Problem". - Dem wäre zu entgegnen, dass ein Verfassungsauftrag möglicherweise auch so gemeint sein könnte, dass Medien Einzelpersonen nicht öffentlich desavouieren und hochgepeitschte Stimmungen nicht brand-beschleunigen sollten. -

    Kann Pressearbeit nicht auch anspruchsvoll moderierend sein? Oder ist das zu unspannend?

    Mit der MP habe ich diesbezüglich relativ wenig Probleme (von branchenüblich typischen und tendenziellen Konnotationen mal abgesehen). - Sorgen machen die von Ihnen in letzter Zeit mehrfach zitierten Rechts- oder Schieds-Sprüche, die mir etwas zu unisono zu Lasten des Persönlichkeitsschutzes gehen. Wenn das der Trend wird, sollte man fairerweise den Begriff des "Kollateralschadens durch Meinungsfreiheit" als unvermeidbares Phänomen ins öffentliche Bewußtsein rücken. Auch das gehört zum Bildungsauftrag.
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  • dass man humorvoll über den DIngen stehen sollte, kann man gegen diese Entscheidung des Presserats nichts einwenden. Allerdings gibt es hier auch eine Verknüpfung mit Ihren kürzlichen Anmerkungen zum Thema: "Im Leserbriefteil ist kein Platz für Bürgermeister, die ihre eigene Amtsführung beurteilen". In anderen Worten: Wie kann man sich bei (aus Sicht des Betroffenen unakzeptablen) Glossen oder bei (aus Sicht des Betroffenen) inhalts-verzerrten Berichten wehren. Natürlich gibt es dafür das Instrument der Gegendarstellung, das aber kein Dauerinstrument sein kann (ein Artikel = eine Gegendarstellung: da bräuchten Sie ja eine doppelt so dicke Zeitung). Also was?

    In meiner aktiven Zeit hat man darauf geachtet, dass man ein grundsätzlich gutes Verhältnis zur Presse hatte - quasi als Präventionsmaßnahme - und hat darüber hinaus möglichst umfassende Pressemappen vorbereitet UND hat sich ansonsten unverbindlich freundlich verhalten. Das war in der Wirtschaft und das hat funktioniert - zumal Wirtschaft jetzt nicht DER Bereich, in dem es soviele kritische Öffentlichkeit gibt wie in der Politik. - In der Kommunalpolitik jedoch gibt es sehr viel presse-unerfahrene Leute, die dann zwischen entsetzt bis belustigt sind, was da in Berichten und halt auch in Glossen stehen kann - oft hört man dann Bemerkungen wie: "Wenn ich nicht dabei gewesen wäre, müßte ich jetzt glauben, was da steht". - Und jetzt zurück zur Frage: Ob Glosse oder Berichte aus dem Gemeinderat resp. über Amtsführung von Bürgermeistern: Was können Betroffene tun (außer Gegendarstellung), um ein durch Presseveröffentlichungen entstandenes Bild zu korrigieren? Dass da KEINE Waffengleichheit besteht, scheint doch offensichtlich zu sein - oder nicht?

    Natürlich kann man humorvoll über Glossen und entstellenden Berichten stehen - aber wäre das im Interesse der Presse?
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