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Wenn Jugendliche Leserbriefe schreiben, bedarf es nicht der Volljährigkeit, sondern der Einsichtsfähigkeit
Wenn nicht volljährige Jugendliche (unter 18) erkennbar in Texten und/oder Bildern vorkommen, sind Redaktionen gut beraten, sich das vor Veröffentlichung von deren Erziehungsberechtigten genehmigen zu lassen, empfehlen Juristen.
Redaktion
 |  aktualisiert: 19.10.2020 09:35 Uhr

Wie aber ist das bei Leserbriefen, in dem sich Jugendliche selbst aktiv äußern, also nicht Objekt der Berichterstattung sind? Ich antworte mit der Beschwerde eines Ehepaares beim Deutschen Presserat über den Leserbrief eines Jugendlichen in einer Lokalausgabe dieser Zeitung.

Der Jugendliche kritisiert darin den Umgang der Verantwortlichen im Rathaus mit dem örtlichen Jugendtreff. Der Beschwerde an den Presserat ist eine Bestätigung der Mutter des noch nicht volljährigen Jugendlichen beigefügt, dass ihr Sohn den Brief nicht geschrieben habe. Wir wissen nicht, warum die Frau das dem beschwerdeführenden Ehepaar, nicht erziehungsberechtigten Dritten, bestätigt hat. Der Vorwurf, dass der Brief deshalb fingiert sei, blieb jedoch wirkungslos, weil der Sohn selbst klargestellt hat, dass ihn zwar ein freier journalistischer Mitarbeiter beim Formulieren unterstützt hat, er aber zum Inhalt steht.

Bleibt die Frage, hätten die Eltern des Minderjährigen der Veröffentlichung dieser Zuschrift zustimmen müssen? Die Antwort lautet „Nein“, das mussten sie nicht. Der junge Mann, fast volljährig, wusste was er tut. Er besaß für das Thema Jugendtreff genug eigene „Einsichtsfähigkeit“. An die ist die Berechtigung zur Einsendung eines Leserbriefes geknüpft, nicht an Volljährigkeit. Artikel 5, Abs. 1, Satz 1, Grundgesetz besagt, dass „Jeder“ das Recht hat, seine Meinung frei zu äußern, nicht etwa nur Volljährige. Juristen urteilen, dass der Persönlichkeitswert des Artikels 5 eminent sei. Elterliches Sorgerecht überwiege hier nicht die Freiheit eines fast Volljährigen zur Meinungsäußerung.

Dem Abdruck der engagierten Kritik stand somit nichts im Wege. Für mich zeugt sie von vorbildlichem Demokratieverständnis eines jungen Menschen. Auch der Deutsche Presserat wies die Beschwerde des Ehepaares (dem Bürgermeister des Ortes und seiner Frau) als unbegründet zurück.

Dennoch können Briefe Minderjähriger nicht bedenkenlos veröffentlicht werden. Redaktionen müssen sich stets nach der „Einsichtsfähigkeit“ des Absenders für den Inhalt fragen. Vorsicht ist geboten, wenn der ihm schaden kann, sofort oder später. Dann gilt es mit Jugendlichen und Erziehungsberechtigten noch mal darüber zu sprechen.

 
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