Proteste gegen anonyme Leserbriefe im Internet erreichen mich von Zeit zu Zeit. Sie richten sich gegen fast namenlose Zuschriften auf www.mainpost.de
Ich kann das verstehen, weil Zeitungsleser schon aus Gewohnheit Erkennbarkeit erwarten: also Vor- und Zuname, dazu den Wohnort zu jeder Leserstimme. Es ist ihnen ist nicht geheuer, wenn sich im Internet viele Absender von Meinungsbeiträgen nur mit vorwiegend phantasievollen Decknamen identifizieren. Ein Kritiker schreibt: „ ... wundere ich mich, dass Sie anonymen Leserbriefschreibern eine Plattform zur Verbreitung ihrer Äußerungen bieten, zumal darin sehr konkrete Personen namentlich angegriffen werden.“
Für Zeitungsleser ist dieses im Internet typische Meinungsforum tatsächlich befremdlich. Da verbreiten sich Tino, Turbo, müller1 und noch viele andere. Insider bezeichnen diese Kennzeichnungen als „nickname“ (aus dem Englischen: Spitzname). Die Kommentare der verdeckten Schreiber sind zudem meist frecher, direkter und schneller als man das von den Leserstimmen in der Zeitung gewohnt ist.
Anonym sind die Herrschaften, die hinter den Decknamen stecken, jedoch nicht. Sie müssen sich online registrieren, bevor sie ihre Kommentare eintragen dürfen. Ihre Namen und Anschriften sind dann der Redaktion bekannt. Das ist die Sicherung. Denn die Redaktion trägt – wie in der Zeitung – Verantwortung im Sinne des Presserechts für die Veröffentlichungen auf ihrer Homepage www.mainpost.de
Das bedeutet, dass übertrieben freche, ethische oder rechtliche Grenzen überschreitende Beiträge entsprechend gekürzt oder gelöscht werden, sobald sie erkannt sind.
Eine entscheidende Frage bleibt: Ist es richtig, wenn ein Medium, das von seiner Glaubwürdigkeit lebt, eine Diskussion unter verdeckten Namen zulässt? Nicht nur wir antworten darauf mit ja. Es gibt kaum ein Zeitungshaus, das im Internet nicht diese Foren anbietet. Entscheidend ist die Kontrolle. Niemand darf übers Ziel hinausschießen.
Wer aber in der Welt des Internets an den wesentlichen Kommunikationsprozessen beteiligt sein und Stimmungen schnell erkennen will, muss die dort verbreitete Form der Diskussion annehmen. Sie verdeckt zwar Namen, erschließt aber Meinungen umso deutlicher. Über die wird, wenn nötig, in redaktionellen Beiträgen auch in der Zeitung berichtet. Mir scheint wichtig, dass Medien, die professionell und seriös damit umgehen können, die Turbos und Tinos an sich binden. Diese wichtige Voraussetzung ist beileibe nicht bei vielen Websites im Netz gegeben. Bei uns können Sie unter Ihrem Decknamen auch dem Leseranwalt auf www.mainpost.de/leseranwalt schnell und direkt Ihre Meinung sagen.