Nicht mehr zurückhalten mochte sich ein Leser aus dem Steigerwald. Erstmalig hat er deshalb einen Leserbrief geschrieben. Und die Redaktion müsste über seine Zeilen eigentlich Gewissensbisse bekommen. Der Schreiber stellt nämlich fest, dass wir mit unserer Zeitung nicht nur ihn daran hindern, morgens voller Schwung in den Arbeitstag zu starten. Und das wäre ganz und gar nicht im Sinne unserer Redaktion.
Der Mann macht beispielhaft für seine schlechte Gefühlslage die Negativ-Schlagzeilen an drei aufeinanderfolgenden Tagen verantwortlich: „Griechenlandpleite wird immer wahrscheinlicher“, „Die Zahl der Suizide steigt wieder“ und „Sozialer Aufstieg immer schwieriger“. Daraus entspringt sein Wunsch: „Überlassen Sie doch derartige Horror-Botschaften als Aufmacher lieber der 'Blöd'-Zeitung!“ (ich verzichte darauf, zu erklären, welches Blatt wahrscheinlich gemeint ist).
Aus dem Schreiben folgere ich, dass wir schlimme und bedrohliche Ereignisse im Inneren der Zeitung verbergen sollen. Stattdessen möchte der Mann, dass wir das Gute und das Positive zum ersten morgendlichen Eindruck des Lesers machen.
Dieses fromme Ansinnen ist nicht neu – und zwar für alle, die in Medien arbeiten. Zugegeben, es treibt unsere Redaktion täglich um, für Abwechslung auf der Titelseite zu sorgen – durchaus auch wegen der Gefühlslage der ganzen Leserschaft. Andererseits können Gefühle nicht höher bewertet werden als die aktuelle Nachrichtenlage. Es bleibt Verpflichtung, Berichte, die von Bedeutung und Tragweite für die Menschen in der Region sind, prominent zu präsentieren. Selbst wenn Nähe für eine Lokalzeitung wesentlich ist, kommt sie nicht um weltweites Geschehen herum, vor allem wenn es sich auf uns auswirken und uns deshalb nahe gehen kann. Mit Platzierungen darf gespielt werden. Aber dabei unerfreuliche Wirklichkeit zu verstecken, wäre nicht seriös.
Es ist fast schon schützenswert, wenn man sich ein Weltbild bewahrt hat, wie der Steigerwälder. Erklärt er doch für sich und andere nachdenkliche Mitbürger, dass wir Deutschen heute im herrlichsten Land der Welt leben und in der besten aller Zeiten der Geschichte. Das sei noch kein Paradies, denn das hätten schon andere versprochen, die dann im Jammertal gelandet sind.
Schwung für den Arbeitstag ziehe auch ich Jammertälern vor. Deshalb und zur Selbstkontrolle werde ich speziell diesem Leser ein positives Buch schenken, wenn er mir drei erfreuliche Schlagzeilen vom Titel unserer Zeitung von drei aufeinanderfolgenden Ausgaben zuschickt.