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Pressekodex schützt bei Missbrauchsfällen auch das Persönlichkeitsrecht des Täters
Eine Missbilligung des Presserates trifft aktuell die „Bild“-Zeitung. Die hatte mit einem Foto über die Verurteilung eines Lehrers wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern detailliert berichtet (26. November 2009: „So tickt der Lehrer mit der Totenmaske“).
Redaktion
 |  aktualisiert: 26.04.2023 13:58 Uhr

In einer Beschwerde an den Presserat heißt es, der Verurteilte dürfe in der Berichterstattung nicht identifizierbar werden. Auch das Persönlichkeitsrecht der Ehefrau sei verletzt. Unangemessen seien detaillierte Angaben zu Missbrauchsvorgängen. Die Rechtsabteilung der Axel Springer AG erklärt hingegen, es gehe um einen aufsehenerregenden Strafprozess. Der Lehrer habe in vier Jahren zwölf Mädchen im Alter zwischen acht und elf Jahren sexuell missbraucht. Die Taten seien besonders perfide, weil es sich bei einem Lehrer um eine Person handele, der man Respekt und Vertrauen entgegenbringe. Also bestehe überragendes öffentliches Interesse an dem Fall. Das Foto des Verurteilten habe im Profil gezeigt werden können. Das Gesicht sei nicht erkennbar.

Die Beziehung zu seiner Frau sei wegen der Frage „Was trieb den Familienvater zu den Sextaten?“ von Belang. Die Rechtsabteilung sah darin vor dem Hintergrund, derartige Taten künftig zu verhindern, erhebliches öffentliches Interesse.

Der Text versuche sachlich Gründe dafür zu finden, warum ein verheirateter Vater von drei Kindern über Jahre hinweg acht- bis elfjährige Mädchen missbraucht habe. Deshalb sei es notwendig gewesen, auch Hintergründe der Tat zu beleuchten.

Der Presserat sieht im Bericht aber Persönlichkeitsrechte verletzt. Hält der Pressekodex doch fest, dass in Berichten über Gerichtsverfahren in der Regel Wort und Bild nicht zur Identifizierung von Tätern führen sollen. Abzuwägen ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Der Presserat nennt die Straftat in seiner Abwägung nun zwar verwerflich, sieht aber die identifizierende Abbildung des Verurteilten nicht gerechtfertigt.

Durch die Nennung des Berufes der Ehefrau, lasse sich nicht ausschließen, dass sie ebenfalls identifizierbar werde. Familienangehörige von Tätern seien aber besonders geschützt. Die Schilderung der Missbräuche sei dagegen nicht unangemessen, aber so detailliert auch nicht zwingend notwendig gewesen, teilt der Presserat mit.

Diesen Fall entnehme ich einer Mitteilung des Deutschen Presserates, der freiwilligen Selbstkontrolle der Presse. Anhaltende Diskussionen um Missbrauchsberichte machen ihn bleibend interessant.

Die Missbilligung ist nach der Rüge die zweite Stufe der Presserats-Sanktionen. Schwächste Form ist der Hinweis. Siehe www.presserat.de

 
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