Eine Tendenz nach links erkennt ein Leser und fragt sogleich, „ist das noch meine Zeitung?“. Ich fürchte nun so etwas wie Liebesentzug. Stein des Anstoßes ist ein Leitartikel unseres Berliner Korrespondenten (19.2. „Der Star ist ein Blender/Guttenberg und die Plagiats-Affäre“). Der Leser selbst wird wohl nicht links stehen, aber auch die Redaktion nicht, die der Unabhängigkeit und Überparteilichkeit verpflichtet ist.
Den Leitartikel habe ich einer näheren Betrachtung unterzogen. Unser Mann in Berlin gelangt darin über das Handeln des ehemaligen Verteidigungsministers zu dem Ergebnis, dass Karl Theodor zu Guttenberg ein Blender ist. Das ist zwar hart, aber nicht links. Der Autor hat nicht ideologisch geurteilt. Auch der Leser liefert keine Begründungen für seine Erkenntnis. So habe ich geantwortet, dass ich verstehe, wenn es Anhänger zu Guttenbergs schmerzt, was über dessen Doktorarbeit und über ihn selbst berichtet wird. Aber man sollte darüber doch nicht am Medium, als Überbringer schlechter Nachrichten zweifeln. Die Verursacher sitzen nicht in der Redaktion.
Natürlich gibt es andere Meinungen über Guttenbergs Handeln, über die hier ebenfalls zu lesen war. Bei redaktionellen Kommentaren gilt immer: Niemand erhebt den Anspruch, dass die Leser, die veröffentlichte Ansicht zu der ihren machen. Sie soll aber ein kompetenter Beitrag zur Diskussion sein.
Redaktionelle Objektivität stellt ein anderer Leser über einen Artikel (21.2.2011, „Nazis scheitern in Dresden“) in Frage: Kein Wort finde er darin, dass die Hauptgewalt bei den Demonstrationen von Linksautonomen ausgegangen sei. Das habe er, geborener Dresdner, aber in der Sächsischen Zeitung gelesen. Diese Zeitung hat Agenturtexte genutzt, aus denen nicht hervorging, dass die Hauptgewalt von Linksautonomen ausgegangen ist. Die Sächsische braucht als Lokalzeitung vor Ort die Agentur nicht. Aber auch in deren Online-Portal (www.sz-online.de) finde ich nichts von Hauptgewalttätern. Da heißt es: „Rechts- und Linksextreme griffen Beamte an.“ Lediglich die NPD geißelte laut Sächsischer den „roten Mob“. „Nach Angaben der Polizei“, so die Zeitung, „waren an den Krawallen auch rund 1000 gewaltbereite Rechte beteiligt.“ Meine Nachfrage bei Kollegen in Dresden hat allerdings ergeben, dass die linksautonomen Gruppen mit bis zu 3500 Personen in der Überzahl gewesen sind.
Wir wollen Ihre Zeitung bleiben, auch dann, wenn unsere Meinung von Ihrer abweicht. In der Sache gegen einen Linken oder Rechten Partei zu ergreifen, ist auch Aufgabe eines überparteilichen Journalismus.
Aber Leser zur "Beweisführung" zwecks Nachweis der Richtigkeit der Darstellung der Zeitungsvertreter ins "Archiv einzuladen" zeugt schon von einiger Überheblichkeit! Na ja, mich wundert hier nichts mehr!
Anton Sahlender, Leseranwalt
Dass sich das Volk in Sachen Meinungsbildung zunehmend von der Presse emanzipiert ist m.E. eine durchaus positive Erfahrung. Vielleicht muss der eine oder andere Journalist lernen, damit zurecht zu kommen, dass man nicht länger als "Aufklärer", sondern als Dienstleister verstanden wird.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Mir ging und geht es ausnahmslos um ein angemessenes Verhältnis zwischen Ereignis und Berichterstattung darüber. Genau für diese Angemessenheit scheint es - außer im gesunden Menschenverstand - keine "zertifizierte" MEthode zu geben und auch der Pressekodex scheint dafür nicht zuständig zu sein. Natürlich kann man sich immer auf "Öffentliches Interesse" berufen. Aber man weiß doch, dass in vielen Fällen öffentliches Interesse erst durch Berichterstattung entsteht - das ist ja sogar ein Sinn von Berichterstattung. Dies führt aber in bestimmten Fällen dazu, dass dies zu einer Blase führt - bis sie halt irgendwann mal platzt. Nach kontrolliertem Umgang mit Ereignissen sieht das nicht aus. Dagegen läuft es eher nach der Rezeptur: Man nehme einen Kondensationskern (=Ereignis), an dem man kondensierenden Wasserdampf anlegt - schon hat man großflächige Nebelfelder. Und irgendwann hört der Nebel halt auf, weil irgendeine Zutat dazu ausgeht - meistens ist es einfach die Zeit.
Mir ist wurscht, ob solche Vorgänge eine linksbürgerlich Ypsilanti oder einen rechtsbürgerlichen Guttenberg treffen - das Verfahren an sich ist aus meiner Sicht anstößig.
Über den Tag hinaus ist zu befürchten, dass die Bevölkerung sich immer mehr von offiziellen Meinungen verabschiedet und sich künftig wieder mehr auf den eigenen Verstand und das eigene Empfinden beruft. Es deshalb in die Ecke "dummes Volk" abzuschieben, halte ich für unangebracht. Es sollte zu denken geben, dass - wie in der MP berichtet - dies das erste Mal zu sein scheint, dass eine Bevölkerkung mehrheitlich der medialen Mainstream-Meinung zu einem Fall dieses Formates NICHT folgt.
Das halte ich aber für "drawing shadows on the wall", mit Verlaub. Alles was "die Medien" widerspiegelten in den letzten 2 Woche war und ist der große Riss an polarisierter Meinung und Stimmungsbildern wie sie exakt so quer durch die ganze Bevölkerung bis hinein in die Familien existieren, wo der eine leidenschaftlicher GB-Fan und der andere ein ebenso vehementer Kritiker des Ex-Verteidigungsminister ist.
Ich halte es für einen ebensolchen MYTHOS von der konzertierten Hetzkampagne, den vermeintlichen Verschwörungen zu faseln, wie es ein Mythos ist, dass Herr GB ein zweiter Messias aus Bayern, herabgestiegen zum deutschen Wahlvolk, gewesen sei. Beides gehört ins Reich der Legenden. Und auch das Internet ist nicht plötzlich zur 5. Macht im Staate avanciert, es hat nur den "Tsunami der Kontoverse" angetrieben, das ist wohl unbestreitbar.
Bleiben wir doch ein bisschen näher an den Realitäten, auch wenn sie überraschend und manchmal sehr verwirrend für uns sein mögen.
LE
Und dafür ein "summa cum laude" bekommen.
Kritische Beobachter, die wissen, dass die Uni Bayreuth in der Zeit von "Guttis" Promotion ca. 750000 Euro bekommen hat von einem Unternehmen, in dessen Aufsichtsrat er saß und von der ein erkleckliches Aktienpaket der Familie gehörte, werden sich darüber vermutlich nicht wundern.
Faktum ist aber, dass Herr zu Guttenberg mit seiner Dissertation höchstselbst eine Erklärung abgeben musste, diese Arbeit selbstständig angefertigt zu haben und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt zu haben. Und das war zumindest was den zweiten Teil angeht glatt gelogen.
Nun ist es zwar bei Spitzenpolitiker/innen gang und gäbe, ohne zu erröten fremde Leistungen als die eigenen auszugeben, aber dieser Vorgang lässt befürchten, dass Herr zu Guttenberg nicht davor zurückschreckt, zum Erreichen eigener Ziele unter Missbrauch des Vertrauens anderer Menschen gegen alle gültigen Konventionen zu verstoßen.
Wäre er ein Otto Normalverbraucher ohne wohlhabende und einflussreiche Familie, bräuchte er sich nach einer solchen Aktion nirgends mehr zu bewerben. Zumindest offiziell. Und ich muss ehrlich sagen, von solchen Leuten mag ich mich als Wähler nicht vertreten lassen, schon gleich gar nicht, wenn sie das Amt des Verteidigungsministers bekleiden sollen, was meiner Meinung nach ein Höchstmaß an Verantwortung und Verantwortungsbewusstsein erfordert. Das genau hat der Mann nicht an den Tag gelegt - sogar im Gegenteil. Seine Erklärungs-/ Entschuldigungsversuche (erst "abstruse Vorwürfe" dann "kleine Flüchtigkeitsfehler" und zuletzt "Blödsinn geschrieben"/ Doktortitel freiwillig zurückgegeben) bestätigen dies nur. Sorry, eine Ministerpersönlichkeit sieht für mich diametral anders aus.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass er sich die erforderliche menschliche Größe und Reife noch aneignet. Aber das soll er dann erst einmal unter Beweis stellen.
Anton Sahlnder, Leseranwalt
Anton Sahlender, Leseranwalt
"Und so kann man eben eine Person, zumal einen Minister, als Blender bezeichnen, wenn er eine solche Arbeit als Dissertation abliefert, wie es Herr zu Guttenberg im Schutze einen Vertrauensverhältnisses zum Doktorvater getan hat."
Hat ein Minister weniger Rechte, wie Sie, Herr Sahlender?? Sie haben weder die Arbeit gelesen, noch können Sie sich ein Urteil darüber erlauben ob er ein "Blender" ist oder nicht - jedenfalls hat er politisch mehr geleistet als die meisten, die hier so großspurig über Herrn zu Guttenberg herziehen.
Ein bisschen Respekt vor der Person ist von einem Journalisten, sowie einem von einem "Leseranwalt" zu erwarten.
Egal ob man der Meinung ist, Herr zu Guttenberg ist "schuldig" oder nicht, um es in Ihren Worten zu schreiben: schuldig ist man erst, wenn das Gericht den Schuldspruch spricht.