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Leichentuch und Metallsarg nach einem Unfall schockieren Internet-Nutzer
Redaktion
 |  aktualisiert: 07.11.2019 13:13 Uhr

Geschmacklos ist die Darstellung der Bergung eines Toten.“ So lautet eine von vielen kritischen Meinungen zu einem Kurzfilm, einem Videoclip im Internet von einer Unfallstelle. In der Nähe von Gemünden war ein Autofahrer ums Leben gekommen – verbrannt. Über den Zusammenstoß zwischen einem Viehtransporter und einem weiteren Fahrzeug war am Dienstag, 12. Mai, auch in der Zeitung auf der Frankenseite berichtet worden.

Zu den bewegten Bildern von den Unfallfolgen, um die es hier geht, habe ich auch die Zeitungsleser auf www.mainpost.de. geführt. Hier sind - wie Sie wissen - nicht nur Texte und Fotos angeboten, wie in Zeitungsnachrichten, sondern zusätzlich Videos und Töne. Die Präsentationsformen dieses Mediums nutzen die meisten Zeitungen längst – also auch bei Unglücksfällen.

Bei etwaigen Verfehlungen in den Darstellungen - so habe ich es den Zeitungslesern erklärt - hagelt es im Internet kritische Kommentare der Nutzer, meist User genannt. Diesmal stören sie sich an dem weißen Tuch, das im Clip kurz sichtbar war. Es ließ ahnen, was darunter lag. Danach erkennt man einen Metallsarg, in dem das Opfer weggebracht wird. „Schämt euch“ und „ich bin schockiert“, heißt es zu den Bildern. Im Net nimmt man – verdeckte Namen nutzend – kein Blatt vor den Mund.

Nach tragischen Unglücksfällen, auf die User stark zugreifen, wandeln Journalisten auf schmalem Pfad. Der verläuft zwischen öffentlichem Interesse und Sensationsdarstellung. Wichtig scheint eine abschreckende, also mahnende, vorbeugende Wirkung. Die Sensationsdarstellung beginnt, wo zu viel Schockierendes gezeigt wird. Bei redaktioneller Abwägung darf das Leid der Hinterbliebenen nicht vergessen werden.

Ob der kurze Blick auf ein Leichentuch oder einen Metallsarg nun pietätlos ist (das Opfer war nie zu sehen), überlasse ich Ihrer Beurteilung. Ich merke nur an, dass im Fernsehen akzeptiert wird, wofür eine Tageszeitung auf Ablehnung stößt. Dieses Phänomen lässt sich wohl auf Erwartungen zurückführen, die aus Mediengewohnheiten erwachsen sind. Die haben selbst im Internet Bestand. Viele User sind oder waren Leser. Zumindest zwei davon haben Verständnis für das Filmchen gezeigt („Wenn Sie die Nachrichten am Fernseher anschauen, sind noch schlimmere Unfälle und Bilder zu sehen“). Schade ist, dass im Internet unfreundliche Unterstellungen Argumente ersetzen und einer berechtigten Diskussion etwas von ihrer Ernsthaftigkeit nehmen. Es scheint, als mache das auch das Medium. Die Redaktion hat den Videoclip aus dem mainpost.de-Angebot entfernt, obwohl er sich journalistisch rechtfertigen ließ. Nach Unglücksfällen sollen nun keine Bergungen von Opfern mehr gezeigt werden. Es sei denn, dieser Vorgang ist als solcher die Nachricht. Das gilt für Zeitung und Internet gleichermaßen. Klar bleibt aber: Journalistische Medien müssen in der Welt des Internets mit allen ihren Möglichkeiten präsent sein. Sie wollen eine rasant wachsende Gemeinde von Nutzern erreichen. Wir bemühen uns aber – im Gegensatz zu einer Reihe anderer Anbieter – auch im Net um Seriosität.

 
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