So forderte ein Mitwirkender kürzlich die Chefredaktion auf, sich den Autor einer wenig schmeichelhaften Auseinandersetzung mit einem Konzert zur Brust zu nehmen. Zudem hat er dessen Entschuldigung an alle Mitwirkenden erwartet, wegen der verwendeten Ausdrucksweise.
Das Stück war in der Rezension „als eine Nummer zu groß“ für den aufführenden Chor bezeichnet worden. Außerdem: Der Chor habe den Sätzen nicht das nötige Volumen verleihen können. Schließlich sind noch stimmliche Unsicherheiten angesprochen. So ging es weiter. Man könnte bei den 54 Zeilen (ohne Überschriften) von einem Verriss sprechen, wenn nicht am Ende des Beitrages vier Gesangssolisten hohes Lob erfahren hätten. An der Ausdrucksweise in dieser Beurteilung vermag ich nichts auszusetzen. Zum Konzert selbst kann ich nichts sagen. So haben wir in der Redaktion mit dem Autor über die Kritik an seiner Kritik gesprochen, ihn aber nicht zur Brust genommen.
Verstehen kann ich, dass einige Beteiligte, die gewiss zuvor lange für den Auftritt geübt hatten, nach der Veröffentlichung betroffen gewesen sind. Umso mehr, weil es sich bei ihnen nicht um professionelle Künstler handelt, sondern um Laien. Für sie ist der Umgang mit schlechten Wertungen keine Routine.
Ich habe gegenüber dem verärgerten Mitwirkenden, der in dem kritischen Beitrag ein „Armutszeugnis höchster Güte“ sieht, eingeräumt, dass er selbst wie jeder Zuhörer oder Beteiligte die Darbietungen auch beurteilt. Wir wissen, dass diese Beurteilungen im Widerspruch zu denen des Rezensenten stehen können. Manchmal sind sie krass gegensätzlich. Aber das kennzeichnet Meinungsäußerungen über Musikdarbietungen fast ebenso wie Bewertungen von Fußballspielen.
Wenn sich aber die deutliche Mehrheit der Besucher positiv über das Konzert äußert, so der Beschwerdeführer, dann frage er sich grundsätzlich, ob er von den Mitarbeitern dieser Zeitung objektiv informiert werde? – Ja, das wird er. Der Maßstab für Objektivität lässt sich nicht an Meinungsbeiträge anlegen. Die sind subjektiv, ebenso wie es die Beschwerde des Mitwirkenden über die Rezension ist. So empfehle ich stets, Rezensionen als kompetente Diskussionsbeiträge zu betrachten.
Ach ja, ich halte fest, dass der kritische Journalist nachweislich genug Kompetenz besitzt, um Konzerte und Interpreten zu beurteilen. Ich bedauere, dass der verärgerte Mitwirkende nun trotzdem die Kündigung seines Zeitungsabonnements angekündigt hat. Auch deshalb, weil er damit den Wert einer Tageszeitung und damit die Pressefreiheit auf eine Konzertbesprechung verkürzt.