Will man engagierte Berichterstattung grundsätzlich als Einmischung sehen, trifft das natürlich auch auf investigativen Journalismus zu. Daraus ist jedoch keine Überschreitung von Befugnissen abzuleiten. Wie auch? Journalismus verfügt über keine Zugriffs- oder Sanktionsmöglichkeiten. Er soll und kann nur Sachverhalte aufklären und aufdecken, öffentlich machen und kritisch bewerten. Dieser Auftrag ist ihm in der Demokratie mitgegeben.
Der lateinische Ursprung von investigativ sagt ebenfalls, dass es um Erforschen und Aufspüren geht, also um schwierige und oft langwierige Recherchen, um einer undurchsichtigen oder komplexen Sache auf den Grund gehen zu können – mitunter noch gegen Widerstände Betroffener. Man spricht auch von Enthüllungsjournalismus, den meist „heiße Themen“ erfordern. Fast Staatsanwälten gleich ermitteln Reporter, um nach einem Verdacht, einem Hinweis oder einer Vermutung den Tatsachen auf die Spur zu kommen.
Die Spur kann zu unlauteren Gründen für politisches Handeln führen, zu Filz oder Vetterleswirtschaft, aber auch zu Korruption und organisierter Kriminalität. Gründliche Recherchen müssen die Inhalte vor ihrer Verbreitung, wie es in Redaktionen heißt, „wasserdicht“ machen. Das bedeutet, sie müssen gesetzlichen und ethischen Maßstäben standhalten. Quellen sollen ausgeschöpft und belastete Personen zu Wort gekommen sein.
Weltweit bekannteste Enthüllung ist die der Watergate-Affäre durch Journalisten von der Washington Post. In Deutschland spricht man oft über die Aufdeckung der Flick- oder der Barschelaffäre. Weniger aufsehenerregend im ganzen Lande ist es, wenn irgendwo in einer Region investigative Arbeit geleistet wurde, wenn etwa unlauteres Handeln in Politik, Behörde oder Wirtschaft, durch Medien vor Ort öffentlich gemacht wird. Aber auch hier gehen aufwendige Recherchen voraus. Beispiele finden sich genug in den Auszeichnungslisten des Theodor-Wolff-Preises oder des Wächterpreises der Tagespresse. Sie zeigen, dass Journalisten ihrer Kontrollfunktion gerecht geworden sind.
Häufig werden Redaktionen dann investigativ, wenn Leser, deren Identität geschützt wird, glaubwürdig auf Missstände hinweisen, die für die Öffentlichkeit relevant sind.
Anton Sahlender, Leseranwalt
(Ein solcher erschien glaube ich vor ca. 4 Monaten...)
Ob man sowas nun "Investigativen Journalismus" bezeichnet oder nicht - darüber
kann man glaube ich geteilter Meinung sein.
Man kann zumindest sagen es war besser als die übliche Hofberichterstattung in der Form:
Herr Minister welche Frage darf ich Ihnen stellen?
Gut daß man das Rückrad hatte einen Herrn Goppel einmal zu erklären was ein Journalist
unter investigativem Journalismus versteht:
Ein Ausschnitt aus dem Interview:
Soll denn Ihrer Meinung nach dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk jede Form von investigativem Journalismus untersagt sein?
Goppel: Da müssen Sie mir jetzt erst mal sagen, was Sie darunter konkret verstehen.
http://www.mainpost.de/ueberregional/meinung/-Meinung-ist-keine-Nachricht;art9517,6612877
Die Mainpost betreibt investigativen Journalismus? - na dann muß ich etwas verpasst haben...
An Filz, Vetternwirtschaft und Korruption den es aufzudecken gälte mangelt es m.E. nicht.
Nur so ein Beispiel:
Wir haben "Verfassungsschützer" die rechte Mörderbanden ausrüsten und finanzieren.
Wir haben eine Kriminalpolizei welche die Mordopfer und deren Angehörige kriminalisiert.
Wir haben einen Abgeordenten Uhl der als Kontrolleur des Verfassungschutz fungiert und
der gegen einen Ausschuß zur Aufklärung dieses Sumpfes stimmt.
Stattdessen will er eine flächendeckende Überwachung aller Bürger einführen.
Ich meine da gäbe es einiges "auszumisten" für einen anständigen Muckraker.
Der Schmutz der sich angesammelt hat stinkt nun wahrlich zum Himmel.
Es hilft nicht sich auf vergangene Ehrungen wie den "Wächterpreis" auszuruhen
http://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%A4chterpreis_der_deutschen_Tagespresse
Es heist:
"Freiheit ist das einzige Gut, das sich abnutzt, wenn man es NICHT benutzt."
Sei wachsam: Die Freiheit nutzt sich ab, wenn Du sie nicht nutzt
http://www.youtube.com/watch?v=hKXyb8XEHys
Hinweis: Antrag der Piraten:
Antragsfabrik/Stiftung zur Förderung des Investigativer Journalismus in Deutschland
Der Bundesparteitag der PIRATEN möge beschliesen, eine Stiftung ins Leben zu rufen, welche es den investigativ arbeitenden Journalisten ermöglicht ihre Arbeit unabhängig von wirtschaftlichen Interessen der Verleger, der Politik sowie finanzieler Abhängigkeit zu betreiben.
...
http://wiki.piratenpartei.de/Antragsfabrik/Stiftung_zur_F%C3%B6rderung_des_Investigativer_Journalismus_in_Deutschland
In diesem Sinne: Entdecke den Piraten in dir!
steckt wirklich ein objektives Problem, weil man darauf ganz sicher nicht platt mit „Ja“ antworten kann. – Macht man die journalistische Arbeitsweise an sich zum Maßstab, muss man tatsächlich bei Asylanten in Wü oder Missbrauchsfall in Lohr oder Wulff gleichermaßen vorgehen. In allen diesen Fällen wurde seitens des Journalismus übrigens positiv nicht die Unwahrheit gesagt – darum geht es auch nicht.
Berücksichtigt man jedoch auch die (jeweils zu erwartende) Resonanz, sieht das ganz anders aus. - Da berichtet Jungbauer von Fakten gegen zu erwartenden, mehrheitlichen Widerstand aus der Bevölkerung und ist somit mutig und ethisch im besten Sinne des Wortes. – Beim Fall Lohr hat man auf eine generelle kirchenkritische Haltung einer mehrheitlich säkularen Bevölkerung aufgesetzt, die leicht erregbar war durch den Verdacht eines neuen Missbrauchsfalls, der in Gestalt einer persönlichen Schilderung weitergegeben wurde – persönlich finde ich es weder mutig noch ethisch, wenn man in Erwartung mehrheitlicher Zustimmung über subjektive Äußerungen von Einzelpersonen berichtet. – Im Fall Wulff wurden sub-justiziable Verfehlungen aus der Zeit vor der Präsidentschaft im Wissen um eine Empörungswelle medial vermarktet. – In allen drei Fällen wurde also in Übereinstimmung mit dem Pressekodex recherchiert, und trotzdem sind alle drei Fälle ganz unterschiedlich in Bezug auf die Inhalts-Qualität und vor allem auf die Rezeption, die man als Profi ja in aller Regel voraussehen kann.
Nun kann man in der Tat die Rezeption dem Nachrichten-Konsumenten überlassen – man hat als Journalist in Übereinstimmung mit dem Pressekodex gearbeitet – alles andere ist Sache des Rezipienten, den man ja als mündig voraussetzt. – Nun kann man keinem Individuum Mündigkeit absprechen. Jedoch werbe ich um Verständnis für diejenigen, die bei jeder Form veranlasster Massendemonstrationen Bangigkeit überfällt – egal ob diese staatlich organisiert zu welcher Zeit und in welchem Teil Deutschlands auch immer stattgefunden haben oder ob diese medial begründet sind. Man kann dieser Gegenüberstellung mit gutem Grund inhaltlich zu Recht widersprechen – aber auch psychologisch?
Und deshalb vermute ich, dass anhand der Recherche-Fälle beispielsweise eines Kalibers Wulff folgende diametrale Bewertung herauskommen kann: Ein Journalist wird eher dazu neigen, den Fall Wulff als Beispiel für eine gelungene Wahrnehmung des journalistischen Wächteramts zu verstehen. Andere (zu denen ich mich zähle) halten den Fall Wulff für einen Kollateralschaden der Pressefreiheit. – Beide Seiten werden für sich beanspruchen, im Geist des Grundgesetzes zu urteilen.
Wir müssen diese unterschiedlichen Urteile nicht ausdiskutieren. Allein eine nachhaltige Nachdenklichkeit über die Existenz dieser unterschiedlichen Einschätzungen desselben Falles wäre meines Erachtens ausreichend.
Ich halte fest: Es wurde nicht in Erwartung mehrheitlicher Zustimmung berichtet, sondern weil die Redaktion darin eine journalistische Verpflchtung gesehen hat. Das ist immer so. Kollateralschaden der Pressefreiheit ist ihre Meinung, die ich als solche respektiere, aber nicht nachvollziehen kann.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Anton Sahlender, Leseranwalt
Weiterhin glaube ich Ihnen persönlich, dass Sie den Begriff "Kollateralschaden" nicht nachvollziehen können, weil es ja nach Ihrer Auffassung richtig läuft - der Pressekodex dient Ihnen dabei als Zeuge.
Es gibt da zwei Perspektiven zum Thema "Investigativer Journalismus", die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Die Presse selber macht mir dabei keine Sorge, aber sehr wohl die Massenwirkungen und deren Folgen, wenn wieder mal alle "Ingredienzien" zusammenkommen. Und da meine ich nach wie vor, dass die Presse auch eine Verantwortung hat für Reaktionen auf ihre Berichterstattung, die ja vorher (meistens) sehr wohl bekannt sind.
Eigentlich haben wir denselben Wunsch: Den mündigen Bürger. - Dann könnte man sich entspannt zurücklehnen.
Wenn Herr Jungbauer engagiert über das Thema Asyl berichtet, spürt man einerseits eine gewisse Parteilichkeit in der Berichterstattung (das Thema liegt ihm ersichtlich am Herzen), was aber andererseits (mich) nicht stört, weil er damit eine Minderheit unterstützt. Er wird also eher auf Widerstand in der Bevölkerung stoßen und sicherlich keinen medialen Tsunami auslösen, dem beispielsweise der bayrische Innenminister zum Opfer fallen könnte. Insofern absolute Übereinstimmung meinerseits.
Anders ist es, wenn ebenso engagierte Berichterstattung Mehrheits-Reflexe aktiviert, die eine ungeheure Energie entwickeln können. Dazu zählen manche Berichte über tatsächliche oder angebliche Mißbrauchsfälle in der Katholischen Kirche oder auch das ganze Wulff-Theater, das ja nie dem tatsächlichen Geschehen angemessen war.
Nun wird es presserechtlich schwierig sein, die eine engagierte Berichterstattung von der anderen engagierten Berichterstattung mit positivistischen Mitteln zu unterscheiden.
Deshalb eine Frage, ob, und wenn ja, wie, folgendes redaktionell unterschieden wird: Einerseits engagierte Berichterstattung über Themen, bei denen man Kärrner-Arbeit leisten muss und eher mit Widerstand bei der Mehrheit der Bevölkerung rechnen muss. - Andererseits engagierte Berichterstattung über emotional eingeführte Themen, bei denen man nur noch eins drauf setzen muss, um massenweise Zustimmung zu bekommen (im Marketing nennt man sowas "Cash Cows").
Anders gesagt: Eine Redaktion ist sich doch des Wirkungspotentials eines Themas und dem differenzierten oder undifferenzierten Umgang mit diesem Thema in der Öffentlichkeit bewusst? - Und gehört es nicht auch zum Bildungsauftrag, nicht nur selbstbewusste Meinungsfreiheit, sondern auch differenzierte Meinungskultur zu fördern?
Ich denke, dass dieser übergeordnete Bildungsauftrag bei den Medien sehr wohl darauf Einfluss haben sollte, was und vor allem wie man investigative Recherchen betreibt. Diesen Hinweis wird man doch nicht als versuchten Eingriff in die Pressefreiheit interpretieren?
Die Problematik liegt zunächst aber darin, dass sie über Themen und Ereignisse gelegentlich zu individuell unterschiedlichen Bewertungen gelangen können, welche emotional belegt sind und welche nicht. Solche Grenzen sind stets fließend. Das zeigt schon das von ihnen gerne präsentierte Beispiel Wulff. Darin verbirgt sich zugleich eine weitere Schwierigkeit. Sollen Medien, wenn sie emotional belegte Vorgänge beschreiben, andere Maßstäbe anlegen oder gar darauf verzichten? Darüber droht die Gefahr der Ungerechtigkeit, gar der Vorwurf von Manipulation. Die Asylberichterstattung des Kollegen Jungbauer entpringt besonders ausführlichen Recherchen. Er hat sich darüber mehr Detailkenntnisse erworben, als in Ämtern oder bei Politikern ankommt. Vor allen Dingen weiß und vermittelt er auch mehr, als eine Reihe von Kommentarschreibern, die mit unhaltbaren Vorwürfen in Erscheinung treten.
Wenn sie freilich Medien aufmerksam lesen/nutzen - auch unsere Zeitung - werden Sie häufiger Erklärungen zu Beiträgen entdecken, die journalistische Distanz herstellen und versuchen, Vorgehensweisen durchschaubar zu machen. Das gilt auch für die Vorwürfe von Missbrauchsfällen.
Im Übrigen denke ich, dass die Berichte und Kommentierungen in Sachen Wulff unabgestimmt gerechtfertigt gewesen sind - im Sinne der Aufgabe von Medien, die offenkundig von den meisten gleichermaßen verstanden wird.
Es bleibt wichtig genau zu lesen. Und Mündigkeit sollte man nicht nur für sich selbst in Anspruch nehmen.
Anton Sahlender, Leseranwalt