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Eine ziemlich schmerzhafte ärztliche Rezeptur gegen Kritik
Auch Ärzte werden mal kritisiert. Das geht nicht anders, schon wegen ihrer für Volkes Gesundheit zweifellos bedeutungsvollen, unverzichtbaren Fähigkeiten.
Leseranwalt
Redaktion
 |  aktualisiert: 27.10.2009 14:17 Uhr

Auf kritische Worte gegen ihren Berufsstand reagieren manche Doktoren leider sehr anfällig. Diese bereiten ihnen wohl heftigere Schmerzen als etwa einem Politiker, dem sie das Immunsystem nur weiter stärken. Das zeigen journalistische Erfahrungen. Vielleicht ist das so, weil Ärzte in ihren Arzneischränkchen gegen Kritik nach probaten Mitteln vergeblich suchen.

Jenes Mittel, das jüngst zwei Mediziner ihren Patienten wegen eines kritischen Zeitungsbeitrages verordnet haben, war mir bislang noch nicht begegnet. Ich kenne es nur aus den Rezepturen totalitärer Staatsmänner. Ich möchte es Ihnen nicht vorenthalten.

Die beiden Dr. med. schreiben uns: „Wir bedauern es, zu dem Schritt der Kündigung der Zeitung gezwungen zu sein. Leider können wir keine Zeitung auslegen, die unserem Ruf schadet. Sollte sich Herr Vetter in der Zeitung entschuldigen, aber nicht mit einem Fünfzeiler, bitten wir sie uns davon in Kenntnis zu setzen. Dann würden wir unsere Kündigung zurücknehmen.“

Stein des Anstoßes sind ein Bericht „Patienten-Prämie für Mediziner macht Wirbel“ und ein Kommentar „Überwiesen und verkauft“ (erschienen im September, noch vor der Wahl), geschrieben von Stefan Vetter, einem unserer Berliner Korrespondenten. Darin wird 20 bis 30 Prozent der Ärzte vorgeworfen, sie würden Patienten nur in jene Krankenhäuser einweisen, die ihnen dafür eine Prämie zahlen. Diese Praktiken bestätigten Ärztekammer und deutsche Krankenhausgesellschaft.

Vetter stellte in seinem Meinungsbeitrag unter anderem die moralische Frage, „ ... wer kann noch vertrauen, wenn er weiß, dass sein Klinikaufenthalt vielleicht eher der Geldvermehrung eines anderen dient anstatt seiner Gesundheit?“ Er schrieb, „schon aus ärztlichem Eigeninteresse sollte die Sache rasch geklärt werden. Sonst verliert ein ganzer Berufsstand seine Glaubwürdigkeit. Für die große Mehrheit der Ärzte, die sich redlich um ihre Patienten kümmern, wäre das fatal.“

Mich beruhigt, dass die beiden Ärzte nur die Tageszeitung abbestellen können, aber nicht die Freiheit der Meinung. Dieses ist als ihre Absicht erkennbar. Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht, das dem seelischen Wohlbefinden förderlich ist. Auch wenn die Zeitung nun auf dem Index einer Gemeinschaftspraxis steht, wird sich Stefan Vetter nicht einmal mit einer Zeile entschuldigen, dafür, dass er seine Aufgabe verantwortungsvoll wahrgenommen hat.

Ja, ich gebe zu, dass es schmerzt, zwei Doktoren ausgerechnet auf diese Weise als Abonnenten zu verlieren. Eben weil verantwortungsvolle Ärzte wichtig für unsere Gesellschaft sind.

 
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  • Das können sie natürlich machen wie sie wollen. Bei ihrer Begründung und ihrem Demokratieverständnis empfehle ich den beiden Medizinern, nun die BLÖD-Zeitung auszulegen. Die passt evtl besser zu ihnen.
    Mit glaubwürdigen Grüssen.
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