Ärzte sind auch nur Menschen. Meist vertraue ich ihnen. Das bleibt so, auch nach einem kurzen heftigen Telefonat mit einem Arzt. Es geht um den Artikel auf der Titelseite vom 18. Juni, überschrieben mit: Ärzte: „Wir sind keine Pfuscher“. Dazu die Unterzeile: Mehr als 12.000 Patienten beschwerten sich im vergangenen Jahr über Behandlungsfehler.
Die Zahl kommt von der Bundesärztekammer. Was dazu Ewald Kraus sagt, der Vorsitzende der Notgemeinschaft Medizingeschädigter, das darf Ärzte nicht erfreuen. Er spricht sogar von jährlich 184.000 Behandlungsfehlern in Deutschlands Krankenhäusern und erklärt, dass nach Erhebungen des Aktionsbündnisses Patientensicherheit davon 18.400 Menschen wegen fehlender Sorgfalt sterben. Gutachter der Ärztekammern stellen dagegen bei der Bearbeitung von 7578 Anträgen aus 12.232 eingereichten, nur Behandlungsfehler in 2280 Fällen fest. 1889 davon führten zu einem Gesundheitsschaden.
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Kraus bezweifelt, was der Vorsitzende der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, Andreas Crusius, für die Ärzte feststellt: Man kehre Fehler nicht unter den Tisch, lerne daraus und setze sich dafür ein, dass Betroffenen schnellstmöglich geholfen werde. Ärzte seien keine Pfuscher, auch wenn sie Fehler machen. Bei jährlich 18 Millionen Behandlungsfällen in Krankenhäusern und 540 Millionen bei niedergelassenen Ärzten, bewegt sich die Zahl festgestellter Fehler laut Crusius im Promillebereich. – Das waren wesentliche Inhalte des Beitrages.
Der Arzt am Telefon ist aber nicht bereit, eine Zeitung, bei der „Pfuscher“ in der Überschrift auf der Titelseite steht, in seinem Wartezimmer auszulegen. Er fordert eine Entschuldigung der Redaktion und beendet das Gespräch abrupt.
Ich messe den Artikel am Kodex des Presserates. Darin steht vor allem: Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte. Unbegründete Befürchtungen finde ich nicht. Tatsachen sind korrekt wiedergegeben, Quellen genannt. Für Patienten werden Risiken und Recht deutlich. Für sie enthält er viele nutzwertige Informationen.
Der oft vernehmbare Begriff „Ärztepfusch“, den auch ich für unfair halte, ist im Beitrag nur den Worten des Ärztevertreters Crusius zu entnehmen. Sein Widerspruch dagegen wird zur Schlagzeile. Die ist nicht unangemessen sensationell. Sie schafft zweifellos Aufmerksamkeit, lenkt sie aber auf ein überaus wichtiges, sachlich dargestelltes Thema. Deshalb gibt es da nichts zu entschuldigen.