"Bild-Zeitung pur“ sei das, was am Samstag (13.1.18) in einigen Lokalausgaben über die Tatsache erschienen ist, dass der Würzburger Oberbürgermeister eine neue Lebensgefährtin hat. Das schreibt mir ein Leser. Als „Klatschpresse“ qualifiziert es ein Kommentar unter der digitalen Veröffentlichung des Beitrages ab. „Müssen wir das in diesem Stadium wissen?“, wird dort auch zweifelnd gefragt und eine Bemerkung ordnet ein: „In China ist ein Sack Reis umgefallen!“ Immer geht es um den Beitrag (vom 12.1.) unter einer etwas kitschigen Bildmontage mit Herzchen: "Das ist OB Schuchardts neue Lebensgefährtin" oder dem gleichlautenden Beitrag in der Zeitung (vom 13.1.), überschrieben mit „Die Neue an der Seite des Würzburger Oberbürgermeisters“ (Siehe Foto unten).
Öffentliches Interessse
Dass über einen so ins Persönliche reichenden Artikel kritisch diskutiert wird, das ist verständlich. Deshalb erkläre ich, was für seine Veröffentlichung spricht.
1. Lebensumstände eines Oberbürgermeisters sind von öffentlichem Interesse. Informationen darüber ermöglichen es, den Politiker als Mensch einzuschätzen.
2. Über die vorausgegangene Trennung war berichtet worden. So war es angebracht, die erneut veränderte Lebenssituation darzustellen.
3. Entscheidend ist, dass sich Partnerin und Partner zu ihrer Partnerschaft selbst öffentlich bekannt haben. Das gilt somit auf für "dieses Stadium".
4. Es wird nichts aus Intimsphäre oder Privatsphäre der beiden ausgeplaudert. Das ist und bleibt ein Tabu. „Schlüsselgucken“ oder „latenter Voyeurismus“, wie ein Leser meint, liegen also nicht vor.
"Schön verpackte Werbung"
Dennoch darf man kritisch danach fragen, ob der Umfang des Beitrages (Fünfspaltig in der Zeitung) nötig gewesen ist. Ich meine, weniger hätte es auch getan. Dabei müsste keine Information verloren gehen, auch nicht die über erfolgreiche Bücher der ausgezeichneten Journalistin und Autorin, die eine unüberlesbar große Rolle spielen. Eine etwas zu große. „Schön verpackte Werbung“, lautet deshalb eine Leserstimme, in der aber versöhnlich angefügt ist: „Alles Gute den Beiden“.
Lokalkolorit
Auch den guten Wünschen in dieser Kommentierung schließe ich mich an und gönne dem zufriedenen großen Teil der Leserschaft das, was ein anderer Leser geschrieben hat: „Ein romantisches Märchen. Zusammen für Würzburg. <..> Ein bisschen Stars und Sternchen wollen wir hier natürlich auch haben.“ Diese Romantik darf man getrost - wie den Beitrag selbst - unter „Lokalkolorit“ einordnen.
Belanglos
Was weder dem Paar noch einem ernsthaften Journalismus dauerhaft zu wünschen ist, wären Belanglosigkeiten wie am Montag (15.1). Da steht im Beitrag über den städtischen Neujahrsempfang: „Schuchardts Lebensgefährtin (hier ihr Name) war bei Gesprächen zu beobachten“. Und zwei Artikel zum Prinzenball vermitteln in der Zeitung, dass er mit der „neuen Lebensgefährtin“ (einmal in der Kolumne "Boulevard Würzburg") auch getanzt hat. Etwas mehr Information bedarf es gemeinhin selbst für "Lokalkolorit".
Die Leute freuen sich gewiss, wieder was interessantes von der Frau zu lesen. Aber die „neue Lebensgefährtin an der Seite des Oberbürgermeisters“, die sollte nun als Nachricht durch sein.
Anton Sahlender, Leseranwalt