Fäkalausdrücke würden immer mehr ausgeschrieben, beschwert sich eine Leserin. Früher seien sie abgekürzt worden. Sie erwarte, dass sich ihre Tageszeitung „einer gereinigten Sprache bedient“. Eigentlich seien es Medien, darunter TV und Zeitungen, die einen Wandel zum Ordinären bewirkten.
Mir war diese Entwicklung zum Ordinären bisher nicht aufgefallen. Eine Kollegin hat aber im Archiv geforscht. Sie fand seit Jahresbeginn ausgeschrieben 14-mal das Sch…-Wort und 13-mal das A...-Wort (zitiert in Gerichts- und Polizeiberichten, in Faschingssketchen oder aus Comedyshows). Beispiele: Den A. aufreißen, A. versohlen, am A. der Welt und den A. abfrieren. Genug. Siebenmal gab's das AL-Wort, so im Buchtitel „Das kleine Arschloch“. Alles konnte die Leserin aber nicht sehen, weil sich diese Worte über 13 Ausgaben verteilt haben.
Vor dem Gebrauch unfeiner Ausdrücke sind Prominente und Literaten auch nicht gefeit. Auch deshalb kam ein vom Autor selbst eingesetztes Fäkalwort im genannten Zeitraum nur einmal in einer Glosse vor. Alle anderen waren zitiert (auch Liedtexte). Hinzu kam ein Leserbrief.
Ich greife das Interview mit der TV-Moderatorin Katrin Bauerfeind (Freitag, 21.4., Kultur) heraus. Zu deren Persönlichkeitsbild gehört es, dass sie kein Blatt vor den Mund nimmt. Dreimal habe ich das Sch…-Wort ausgeschrieben im Text gefunden. Im gegebenen Zusammenhang stufe ich das als „noch erträglich“ ein. Im Interview erfährt man, dass kein Geringerer als Wolfgang Schäuble einmal zu Bauerfeind gesagt hat, „sie haben einen Scheiß-Namen“. Nun nehme ich an, der Minister hat auch nicht nur Sch...-Name gesagt. Bauerfeind erklärt zur Entwicklung zwischen Arm und Reich, „wenn ich eine Phase hätte, in der ich etwas scheiße finde, würde ich es auch sagen, egal, ob es fundiert ist“. Außerdem fragt sie der Interviewer: „Man darf doch ruhig mal sagen, das ist mir scheißegal?“ Sie antwortet, „das muss man sogar“.
Das ist keine Absolution für den ungekürzten Gebrauch derartiger Begriffe. Es gilt damit bewusst und sparsam umzugehen. Manches Mal transportieren sie aber Realität und sollten ihrer Wirkung nicht beraubt werden. Das gilt gerade für Medien, die die Wirklichkeit möglichst unbereinigt transportieren müssen. Sie haben dadurch zweifellos immer an der Veränderung der Sprache mitgewirkt. So frage ich mich am Ende doch, trägt diese Zeitung zu einem Wandel in der Sprache hin zum Ordinären bei? Gibt es den überhaupt? Ich halte einfach mal dagegen: Sprache ist direkter, ungeschminkter und dabei wahrhaftiger geworden.