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Der Leseranwalt: Meinungen über Sprache: Vom Oberlehrer zum Verhunzer
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Redaktion
 |  aktualisiert: 03.04.2008 17:59 Uhr

Nach der Lektüre Ihres Artikels („Wenn Zeitungen den Wörterbüchern vorauseilen“/26. Februar) muss ich sagen, dass Ihre Leser sich sehr oberlehrerhaft verhalten“, schreibt mir Frau E.M.U. Sie empfiehlt, „wenn den Herrschaften die Sprachebene einer Tageszeitung zu schlicht bzw. zu umgangssprachlich ist, dann müssen sie halt auf die klassische Literatur zurückgreifen. Aber die bietet keine Neuigkeiten.“

Die Meinung der Dame überlasse ich Ihrer Beurteilung, ebenso wie die folgenden Reaktionen auf meinen Beitrag vom 26. Februar, in dem ich gebeten habe, mir umgangssprachliche Begriffe zu nennen – solche, die das Wörterbuch noch nicht kennt. Stein des Anstoßes war damals das Wort „Tanke“. Das Herr A.H. (Jahrgang 1930) jetzt sehr treffend findet. Es gehöre zum Tätigkeitswort tanken wie Weide zu weiden, Furche zu furchen oder Acker zu ackern. Das sei allemal besser als wenn ein wichtigtuerischer Schlauberger etwas Denglisches einführe.

Strenger urteilt der Leser H.G., der es nicht für die Aufgabe einer Zeitung hält, jede Sprachschlamperei mitzumachen. Er erwartet von ihr perfektes, vorbildliches Deutsch und fragt: „Wenn nicht bei der Zeitung, wo dann“? – Dieser hohe Anspruch ehrt und belastet die Redaktion gleichermaßen. H.G. argumentiert: „Zwischen gesprochener und geschriebener Sprache sollte man unterscheiden, eines ist kurzlebiger, das andere sollte konstanter sein.“

Eine Gänsehaut bekommt auch Frau E.W.S. bei Wörtern wie das „infantile supi statt super, das unsägliche Mucke für Musik und auch Malle statt Mallorca.“ „Mag sein“, so E.W.S., „dass Sprache sich verändert (wir schreiben auch nicht mehr so wie im Mittelalter), aber muss es eine so negative Veränderung sein?“

So schön wie falsch sei der Spruch, dass Sprache lebe und sich verändere, betont dagegen Herr G.W.. Er widerspricht damit auch meiner Aussage vom 26. Februar. Sprache, so G.W., sei nicht Natur, sondern Vereinbarung. Das habe schon der alte Platon bemerkt. Und Jacob Grimm, so fährt er fort, bezeichnete Sprache als Werk und Tat des Menschen. Sie gedeihe nicht aus sich selbst heraus.

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Den Sprachstil, der auf dem Schulhof oder in der Mensa gesprochen werde, lehnt Herr F.L. in einer Zeitung ab. Das trifft auch Wörter wie Tanke, Spreche, Denke, Buche (für Buchung) oder Navi. Hoffentlich, so F.L., „muss ich nie lesen: 200 Mios in Liechti.“ Verehrter Herr F.L, das käme nur für eine Satire in Frage – freilich in der Zeitung.

Weiter kommentiere ich heute nichts und überlasse Herrn G.W. aus der Rhön das Schlusswort. Der beruft sich nämlich auf den Journalistenausbilder und Autor vieler Sprachbücher, Wolf Schneider, und schiebt die Verantwortung für die Weiterentwicklung der Sprache Sportreportern und Zeitungsschreibern in die Schuhe. Nicht genug, G.W. selbst nimmt noch Webeagenturen und die ganze Medienwelt in die Pflicht. In passivem Hinnehmen sieht er einen „Freibrief für alle Sprachverhunzer (lt. Duden umgangssprachlich, Anmerkung des Autors) und Sprachtotengräber.“

 
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