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Der Leseranwalt: Essen Sie den Festtagsbraten dort, wo er Ihnen schmeckt
Redaktion
 |  aktualisiert: 18.12.2007 17:17 Uhr

Das ist meines Erachtens reinste Werbung für ein Speiselokal“, ärgert sich ein Leser. Er kritisiert heftig einen Bericht über die Wiedereröffnung einer Traditionsgaststätte im Lokalteil. Darin war zu lesen, dass dort fränkische Küche gepflegt wird. Zudem waren Speiseangebote und Öffnungszeiten genannt. Der Pächter der Gaststätte hätte eine Anzeige bezahlen müssen, schimpft der Leser. Der Mann droht mir, den Deutschen Presserat einzuschalten, wenn weiterhin solche Werbung in Berichten auftrete.

Seine Drohung trifft in eine Problemzone. Tatsächlich muss sich der Deutsche Presserat gegenwärtig häufig mit unerlaubter Werbung in Zeitschriften oder Zeitungen beschäftigen. Gemeint sind journalistische Beiträge, die Produkte, Leistungen oder Unternehmen herausstellen. Das ist oft verbotene Schleichwerbung. Platz für Werbung sind bezahlte Anzeigen, die als solche erkennbar sein müssen. Dann weiß der Leser, dass die Inhalte vom Auftraggeber – nicht aber von der Zeitung verantwortet werden.

Unser Bericht im Lokalteil über eine wieder eröffnete Traditionsgaststätte war in meinen Augen allerdings erlaubt, mitsamt der Hinweise auf fränkische Küche, auf Speisen oder Öffnungszeiten. Solche Beiträge gehören wie das Salz in der Suppe zu Lokalzeitungen: Informationen über Wieder- und Neueröffnungen oder über ungewöhnliche Aktionen oder über bemerkenswerte Ideen aus dem örtlichen Geschäftsleben. Dafür interessieren sich die Leute. Für solche Beiträge wird niemals bezahlt. Sie gehen auf eine unabhängige journalistische Entscheidung der Redaktion zurück.

Bedenklich wäre es, wenn diese Berichte nicht die Regel wären, sondern jener über die Traditionsgaststätte eine Ausnahme. Dann könnte ein einseitiger Eingriff in den Wettbewerb unterstellt werden. Zu weit geht es auch, wenn gelobhudelt wird. Wenn etwa die Küche als „überaus köstlich“ angepriesen würde oder der Service als „unvergleichlich“. Der Text über die Traditionsgastätte war aber relativ nüchtern gehalten.

Ein Wirt, der werben will, muss sich eine Anzeige kaufen. Das sehen auch Redakteure gerne, wohl wissend, dass Werbung entscheidend zur Wirtschaftlichkeit einer Zeitung beiträgt. Deshalb hüten sich Journalisten, Anzeigen überflüssig zu machen, etwa durch verbotene redaktionelle Texte.

Urteilen Sie künftig doch einfach mal selbst über Inhalte aus der Wirtschaft. Der Deutsche Presserat, freiwillige Selbstkontrolle der gedruckten Medien, sieht Schleichwerbung dann als naheliegend an, wenn „redaktionelle Veröffentlichungen über Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgehen oder wenn sie von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt werden.“ Das bedeutet, der Journalist darf nicht vom Wirt bezahlt werden. Das ist noch nicht der Fall, wenn der ihm zur Wiedereröffnung mal Essen und Schoppen spendiert. Gönnen auch Sie ihm das. Es ist nicht immer ein Vergnügen.

Ich lege Ihnen für den Festtagsbraten noch das Wirtshaus ans Herz, in dem er am besten schmeckt.

 
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