Immer wieder fällt mir auf, dass in scheinbar neutraler Berichterstattung ganze Artikel oder auch nur einzelne Worte innerhalb von Artikeln mit stark subjektiver Wertung zu finden sind“, schreibt mir ein Kitzinger Leser. Er kritisiert, die Redaktion mache Meinung, wo der Leser nichts als Informationen erwarte und vor allem wünsche.
Der Kitzinger versteht die Aufgabe von Redakteuren so, dass die Zeitung auf Kommentare deutlich hinweisen muss und sie von der übrigen Berichterstattung räumlich, darstellerisch oder durch Kennzeichnung (Überschrift) trennen muss. Und er fragt mich: „Ist das nun so, oder verstehe ich als Otto-Normal-Leser hier nur etwas verkehrt?“
Er versteht alles richtig und eigentlich wäre nichts mehr hinzuzufügen.
Dann aber nennt der Kitzinger eine Ursache für seine Kritik. Am 3. September 2008 stand über einem Auftritt von Ex-Kanzler Gerhard Schröder: „Der Russland-Versteher“. Der Artikel war ganz dem Verständnis Schröders gewidmet, das der bei einer Veranstaltung für die Rolle Moskaus im Kaukasus-Konflikt deutlich zum Ausdruck brachte. Die Schlagzeile ist dennoch Stein des Anstoßes. Sie sei, so der Kritiker, sehr subjektiv und ein nicht gekennzeichneter Kommentar.
Ich sehe dagegen in der Überschrift eine zulässige journalistische Einordnung, beileibe keine Meinungsmache. Die Fakten in dem lebendig geschriebenen Korrespondentenartikel decken sie. Ich denke, da können Leser nichts missverstehen. Nichts wird ihnen untergejubelt. Alles ist eindeutig.
Ich mag nicht glauben, dass jemand hier in „Russland-Versteher“ einen unzulässig als Nachricht untergeschobenen Kommentar sieht. Es ist vielmehr eine verständliche Botschaft des Korrespondenten, die fast schon Nachrichtqualität erreicht. Darauf muss in diesem Fall nicht mehr hingewiesen werden. Der Leser kann es als Information akzeptieren.