Und Überschriften sollen zum Lesen reizen. Ist es doch schlecht, wenn wichtige Nachrichten wegen einer schwachen Schlagzeile überblättert werden. Folglich verwenden Journalisten oft sogenannte Reizworte, nach dem Motto, wo „Tarzan“ drinnen ist, sollte auch „Tarzan“ draufstehen. „Tarzan“ ist im übertragenen Sinne meist ein Prominenter, ein aktuelles oder emotionales Thema. Aber in Reizworten lauern auch Gefahren.
So komme ich auf eine aktuelle Kritik zurück. In der Ausgabe vom 2. Mai (Seite 9) lautet eine Schlagzeile, Geistlichem „gefällt“ Pornoseite. In der kleineren Unterzeile darunter liest man: Ein Mann der Kirche ist womöglich in eine Spam-Falle getappt. „Spam“ steht für unerwünschte digitale Nachrichten oder Vorgänge.
Ein Kritiker aus Kirchenkreisen fragt mich, ob die Schlagzeile nicht das Opfer zum Täter macht? Tatsächlich beschreibt der Beitrag selbst unmissverständlich nur das, was die Unterzeile der Schlagzeile aussagt: Der Geistliche war im Internet-Netzwerk Facebook womöglich auf eine pornografische Seite geraten, auf der man mit einem geklickten „Gefällt mir“ seinen Gefallen anzeigen kann. Das hat der Kirchenmann, für den das überaus peinlich wäre, nach eigenem Bekunden nicht getan. Experten bestätigen, dass man sich ungewollt ein solches „gefällt mir“ unter seinem Namen einfangen kann, wie es dem Geistlichen wohl widerfahren ist. Diese Gefahr verdeutlicht der Bericht, der andere Facebook-Nutzer auch warnen soll.
Auf diesen Nutzwert setzt die Schlagzeile aber nicht, stattdessen mehr auf einen skandalisierenden Aspekt, obwohl es den so nicht gibt. Das missfällt auch mir, weil so aus dem Geistlichen wirklich leicht ein Täter werden kann. Nicht nur bei flüchtigen Lesern konnte das „gefällt“ in der Überschrift trotz Gänsefüßchen als belastender Fakt ankommen, umso mehr, wenn sie von Facebook keine Ahnung haben. Mit den Gänsefüßchen wollte die Redaktion aber signalisieren, dass dieses „gefällt“ nicht wörtlich zu nehmen ist. Für eine solche Interpretation ist die An- und Abführung jedoch ungeeignet und in einer kurzen Überschrift nicht nachvollziehbar.
Man könnte nun die Todsünde unterstellen, die Überschrift habe dem Beitrag eine verurteilende Tendenz mitgeben sollen. Genau das ist aber nicht der Fall. Solche Angriffsflächen hätte man bei dem sensiblen Thema vermeiden müssen.
Anton Sahlender, Leseranwalt.
Im übrigen ging ich genau wie hier benannt, bis eben genau von dem Sachverhalt aus, den die Überschrift nicht nur subtil suggeriert sondern schamlos provoziert: Geistlicher am Pranger wegen "Porno", ertappt bei Facebook....Kirche und Mainpost empört.
Wenn Themen - Missbrauch, Terror, Gewalt an Frauen, Sozialmissbrauch etc. - überall ständig mit heißer Luft aufgebläht werden, jeder Koffer im Bahnhof zum "Anschlag" mutiert, bleibt irgendwann alles zu dem Thema im "Spam-Filter" hängen, auch das, was Aufmerksamkeit verdient hätte, z.B. die Schicksalsberichte tatsächlicher Missbrauchsopfer oder die tatsächlichen Gewaltopfer.
Und ich wiederhole, der Nutzwert des Beitrages liegt darin, dass er die Masse der Facebook-Nutzer vor den Gefahren dieses Netzwerkes warnen kann. Wer das Netzwerk nicht kennt, dem mag der Beitrag belanglos erscheinen.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Sie wollen jetzt nicht ernsthaft darstellen, Täter ist (in der Mainpost) der, der etwas "tut" - z.B. Kuchenbacken? ....
Was den "Mehrwert" des Artikels als "Facebook-Warnung" angeht, läuft das ins Leere, weil allenfalls diejenigen "zufällig" auf diesen Inhalt stoßen, die den Artikel anhand der Überschrift "geiler Geistlicher/Empörung" nicht schon übergangenhaben.
Ich sage auch nicht, dass der vom der Überschrift abweichende Inhalt "belanglos" wäre.
Eine Überschrift "Datenmissbrauch auf Facebook" würde dieses Interesse wecken. Texte mit "Geistlichem und Porno" in einem Satz fallen sofort durch's Raster und werden nur auf eine Art gelesen - gar nicht.
Im Unterbewusstsein bleibt bei manchem irgendwann ein Bild haften, dass "alle" Geistlichen in Franken in irgendeinem Zusammenhang mit Sex und Missbrauch stehen...das ist das eigentliche Problem. "Jetzt auch noch auf Facebook"...
* Surfer stößt bei Suche nach "Waldesruh" auf "Känguruh".
* Heidingsfelder drückt bei Frage "Mögen Sie Bratwurst?" auf "Gefällt mir".
* Arbeitsloser vergisst abends, seinen PC auszumachen.
* Asylant hat Schnupfen.
Der erwähnte Artikel versucht in der Überschrift, auf der Welle des Hypes "Geistliche und Sexualität" zu surfen. - Falls das den Redakteuren nicht bewusst ist, sind sie ziemlich allein.
Ohne Hilfe dieses Hypes wäre der Artikel völlig unbrauchbar.
B. Kohlhepp