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WÜRZBURG
Darbietungen und Berichte bedürfen in diesen Tagen einer besonderen Bewertung
Fastnacht – da stelle ich mal eben Leserkummer zurück. Beiläufig erfahre ich zwar, dass ein kritischer Redakteur mit einem bösen Reim Gegenstand eines Wagens bei einem der dörflichen Narrenumzüge ist. Fürs Zitieren ist der aber zu bescheiden, der Reim.
Von unserem Leseranwalt Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 26.04.2023 19:23 Uhr

Der Humor, wie er auch bei Fastnachtszügen mitunter sichtbar wird, der bedarf in diesen Tagen ohnehin einer besonderen Bewertung. Das meint auch der Deutsche Presserat. Bei dem wurde ich auf meiner Suche nach Fastnacht und Humor fündig. Damit gebe ich nun doch Ernsthaftes hier wieder.

Dazu ein Fall aus dem Jahre 1996: Eine Lokalzeitung würdigt in Berichten über Karnevalsveranstaltungen am Ort die Büttenreden. Über den Auftritt eines „russischen Asylanten“ schreibt sie: Dieser habe voll die Stimmung im Saal und in Deutschland getroffen. Passagen seiner Büttenrede werden wiedergegeben, wie zum Beispiel die Feststellung „Dummes Deutsche immer schaffe, Asylant kann immer raffe“. Der Berichterstatter kommentiert schließlich: „Ein Super-Vortrag, der sehr viel Applaus erhielt und bestens vorgetragen wurde. Ein großes Lob an . . .“.

Eine Gewerkschaft beanstandet beim Presserat, der Autor des Berichts zitiere persönlich begeistert rassistische Klischees der schlimmsten Sorte. Zudem mache er sich den Inhalt der Rede durch die Formulierungen „Super-Vortrag“ und „großes Lob“ zu eigen.

Die Redaktion beruft sich auf die Meinungsfreiheit und darauf, dass es um die Berichterstattung über eine nicht ernst zu nehmende Veranstaltung gehe. Sie weist auf einen danach veröffentlichten kritischen Leserbrief und eine Antwort des Verfassers hin. Der schrieb, dass es in der Fastnacht möglich sein müsse, „Asyl“ oder andere politische Reizthemen anzusprechen. Der Büttenrede könne man keinen ausländerfeindlichen Hintergrund nachsagen. Auf derselben Zeitungsseite wehrt sich auch der Sitzungspräsident gegen den „falschen Eindruck“, die Veranstaltung habe Ausländerfeindlichkeit verbreitet. Und auch die Redaktion distanziert sich in einer „Klarstellung“ vom Fremdenhass.

Der Presserat weist die Beschwerde als unbegründet zurück. Grund: Der Artikel schildert den Inhalt einer Büttenrede, die als karnevalistische Darbietung einer besonderen Bewertung bedarf. Büttenreden leben von drastischen Zuspitzungen und Übertreibungen. Darüber hinaus haben der Verfasser des Berichts und die Redaktion durch öffentliche Klarstellung keinen Zweifel daran gelassen, dass sie sich mit möglichen diskriminierenden Äußerungen nicht identifizieren.

Siehe: www.presserat.de (B 9/96)

 
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Kommentare
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  • A. S.
    ... ich bin ihrer Meinung. Das ist aber eine Entscheidung, keine lobende Erwähnung. Auch wenn der Presserat den Beitrag nicht sanktioniert hat, würde ich eine solche wenig destanzierte Veröffentlichung nie gutheißen.
    Anton Sahlender, Leseranwalt
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  • H. H.
    Also ich muss sagen, dass mir die Weitergabe mit lobender Erwähnung solcher Sprüche beinahe als Einladung an weitere Personen vorkommt, so etwas vom Stapel zu lassen (dann kann am Ende die NPD sowas als Büttenredenabend getarnt ungestraft veranstalten, ja?). Auf der political-correctness-Skala steht imho das Austauschen verfänglicher Wörter in älteren Büchern deutlich unter dem Vermeiden blödsinniger Äußerungen heute!

    Was die Meinungsäußerung angeht: imho können Asylanten nur in sehr begrenztem Umfang "raffen". Da stehen wohl bei anderen Personengruppen noch ganz andere Zahlen im Raum...

    Und weil wir dabei sind: warum verlassen Menschen ihre Heimat und kommen als Asylanten irgendwo an? Können wir uns darauf einigen, die Verhältnisse dort seien so schlimm, dass alles andere weniger schlimm erscheint?

    Mir schwebt da eine Büttenrede vor, die uns selber den Spiegel vorhält, dass für unser billiges Öl, Uran, Metall, etc. die Menschenrechte anderswo ein wenig ausgesetzt werden müssen...
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