Könnte mir bitte jemand erklären, warum Leser einen Anwalt brauchen?“ So gefragt eröffne ich den vorerst letzten Teil der Erklärung meiner Aufgabe, zu der mich kritische Stimmen veranlasst haben.
Klar ist, dass ich mich nicht als Jurist anbiete. Leser sollen ermutigt werden, sich mit Konflikten bei mir zu melden, solchen, die mit der Redaktion nicht aufzulösen sind. Steine des Anstoßes waren bisher meist übergangene Ereignisse, verletzende Inhalte und Fehler aller Art. Vielen Beschwerden konnte ich abhelfen. Damit bin ich einmal sogar dem Deutschen Presserat zuvorgekommen, der eine Beschwerde deshalb als erledigt betrachtete.
Ob ich Beschwerdeführern beipflichte oder nicht – ich begründe das möglichst so, dass es sich allen erschließt. Damit will ich beitragen zur Medienkompetenz. Journalismus und Redaktionen sollen für Sie transparenter werden. Das ist wichtiger denn je, weil sich die Tageszeitung mittlerweile in einem für Leser schwer durchschaubaren medialen Umfeld bewegt. Schnellere digitale Quellen nehmen zu. Die drängen sich auch in meine Beiträge. Ältere Leser zürnen darüber, wenn ihnen das Internet nicht zugänglich ist. Ich kann diese Wirklichkeit trotzdem nicht ausblenden.
Lesern, vor allem kritischen, verschaffe ich in der Redaktion mehr Gehör, obwohl sich deren Anliegen oft widersprechen. Beispiel Vereinsfeste: Die Einen können nicht genug davon bekommen, die Anderen halten Beiträge darüber für überflüssig.
Niemand muss sich vor unerwünschter Öffentlichkeit fürchten. Die Identität der Beschwerdeführer schütze ich. Das meiste bleibt ohnehin dem Postweg, Emails oder Gesprächen vorbehalten. Manches nehmen Sie im Internet wahr: Auf mainpost.de und main.de, den Netzwerken facebook und twitter.
Beschwerden gebe ich dann gleich wieder an die zuständige Redaktion, wenn die zuvor übergangen wurde. Ich kann deren Aufgaben nicht übernehmen. Auch Klagen über die Zustellung der Zeitung oder Anzeigeninhalte leite ich weiter.
Ich bin der erste und war jahrelang der einzige Leseranwalt in der deutschen Zeitungslandschaft. Nun folgen andere dem Main-Post-Beispiel, das 2007 durch Journalistenpreise ausgezeichnet wurde.
Nach 40 Jahren Journalismus und 61 Lebensjahren identifiziere ich mich mit dieser Aufgabe und deshalb gerne mit dem Wunsch eines Lesers. Er schreibt: „Mir reicht es, wenn die Redaktion zusätzlich zum Pressekodex das Gewissen als eigene Instanz einschaltet.“ – Dabei will ich helfen. Nächstes Mal wieder zu Leseranliegen.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Anton Sahlender, Leseranwalt
davon spüre ich sehr wenig, dass Missstände angeprangert werden, und wenn, dann zumeist ziemlich zahnlos, ohne Biss. Darum ging es mir doch in aller erster Linie.
Hier ein Zitat aus der Berliner Morgenpost vom 10. Juni 2008
HILFE
Haben Sie Ärger mit Behörden? Werden Ihnen Leistungen verweigert, die Ihnen zustehen? Gibt es in Ihrem Kiez Ärgernisse, die Sie und Ihre Nachbarn stören? Will ein Geschäft einen "Fehlkauf" nicht zurücknehmen? Der Leseranwalt kümmert sich darum. Wie schwierig es auch sein mag - wir bleiben dran.
darunter standen noch die Kontaktdaten.
Ich denke, in diese Fußstapfen könnte die Mainpost auch treten, auch wenn es optisch gesehen sehr aufwendig ausschaut, aber auch diese Sache hat einen positiven Nebeneffekt, weil man an Hand solcher Sachen auch eine gute Story formen kann. Ich denke dazu braucht der Leseranwalt keine juristische Ausbildung, sondern nur etwas erweitertes Fachwissen und gesunden Menschenverstand. Im Prinzip könnten das auch alle gut ausgebildeten Journalisten der Mainpost tätigen. Missstände an den Pranger zu stellen, vor allem die im sozialen Bereich. Unlängst war online ein Artikel zu lesen, wo es um einen Hilferuf eines betagten Rentner ginge, welcher auf Grund seiner trinkgeldhohen Rente in die Altersarmut kam und nach Bekleidung bzw. den Genuss von Säften vermisste. Einerseits zwar schön zu sehen, dass die Mainpost sich sozial engagieren will, indem sie einen Spendenaufruf startete. Aber die Mainpostredakteure betreiben da lediglich die Politik der Tropfens auf den heißen Stein. Was nützt es dem alten Mann, wenn man ihm drei Kisten Apfelsaft ins Hausflur stellt? Spätestens in vier Wochen müsset dann der nächste Spendenaufruf kommen. Es muss eine Politik geschaffen werden, dass dieser Mann sich selber den Apfelsaft besorgen kann. Wenn die Mainpost sich wirklich als Anwalt des Lesers bezeichnet, dann sollte sie nicht die Wirkung abmildern, sondern die Ursache versuchen zu bekämpfen, vorausgesetzt, alle Journalisten fühlen sich dazu berufen.
Im Moment kann man die Mainpost noch als verschlafenes Provinzblättchen bezeichnen, weil die meisten Artikel entweder die heile Weltpropaganda al là Traumschiff oder Rosamunde Pilcher verbreiten oder andererseits politisch vorgekaute DPA-Artikel en Gros übernehmen. Sollten sich die Mainpost-Redakteure alle berufen fühlen, Leseranwalt zu sein, sich für soziale Gerechtigkeit des Bürgers einzusetzen, das wäre fortschrittlich. Gerade als Presse hat man die Macht, nicht nur die Bevölkerung zu beeinflussen, sondern auch die Politik. Wäre zwar ein Kampf David gegen Goliath, aber wenn es dann mehrere Davids gäbe, dann ist Goliath auch nicht unverwundbar. Es soll ja nicht darum gehen, Goliath zu stürzen, sondern in dazu zu bringen, auch für diesen David mitzudenken.
Fortsetzung: siehe Teil Zwei
Im Moment versucht die Mainpost noch eine staatlich verordnete Primitivität dem Leser beizubringen, damit dieser im geistigen Dornröschentiefflug schlummert. Wäre es nicht besser, die Leser geistig dazu zu bringen, endlich auch über den Tellerrand zu schauen, anstatt ihm darunter zu halten? Die Leser sollen zum kritischen Selberdenken angeregt werden und die Zeitung sollte demzufolge vom Image des vorgekauten „Maggi-Fix der Meinung“ wegkommen. Gerade viele Menschen beziehen doch ihre eigene Meinung sowohl von den Medien als auch von der Umgebung.
Wenn die Mainpost schon soziale Missstände anprangert, dann auch richtig mit Wirkungseffekt. Was nützt es brav zu schreiben, damit weckt man niemanden auf; erfahrungsgemäß sollte man im sarrazinschen Stil provozieren, damit erstmal jeder aufmerksam wird, eine Debatte ins Rollen bringt. Die gesamte Presse würde sich dann als Leseranwalt outen. Gerade ein übersichtliche und für alle Schichten greifende Gesetzgebung ist in unserem Staate Mangelware, diese Missstände sollten kritisiert werden, möglichst ohne die bisherige Samthandschuhtechnik. Wir alle wissen, dass die Politiker auf ihrem hohen Ross Scheuklappen auf haben, damit sie von der Realität verschont bleiben. Und wenn sämtliche Pressen als Leseranwälte auftreten, dann dringt auch dieses durch die Scheuklappen, vielleicht bäumt sich dann deren hohes Ross auch mal auf, damit Merkel und Co. auch mal davon runterkommen.
Fortsetzung siehe Teil Drei
Ich denke dieses „Leseranwaltseinsmetier“, welchem derzeit gefront wird, ist wenig anspruchsvoll. Vielleicht sollte die Redaktion meinen Vorschlag aufgreifen, obwohl sehr aufwendig, so kann man doch als positiven Nebeneffekt eine gute Story dabei zaubern. Immerhin macht in dieser Richtung ja eine Berliner Zeitung(Morgenpost) schon Vorreiter.
Jedem Redakteur seinen Leseranwalt. Solche Leute wie ich haben eben nicht die Fähigkeiten und Möglichkeiten eines gut ausgebildeten Journalisten. Und auch der Journalist würde vom Image das Zeitungskrixlers wegkommen, ihm würde mehr Bedeutung beigemessen, wenn er sich für das Volk einsetzt.
PS: Sorry, wenn ich auch die Mainpost und deren Arbeit kritisiert habe, verbal auf die Füße getreten habe; aber ich lasse mich sehr gerne eines Besseren belehren, mein Kopf ist noch lernfähig. Wäre auch nett, wenn nicht nur Herr Sahlender sich hier mit einem Kommentar verewigt, sondern auch andere Mitglieder der Redaktion.
Jeder sollte das recht haben, seinen Senf dazu zu geben, Senf für das ganze Volk.