Es ist immer gut, wenn wir die Kirche im Dorf lassen. Dieser Aufruf zur Mäßigung gilt gerade in diesen Tagen, in denen der Papst in der Kritik steht. Da prallen die Ansichten von Kritikern gelegentlich ziemlich hart auf die der Anhänger von Benedikt XVI., dem Bayern, der in Rom als Petrus-Nachfolger der katholischen Kirche vorsteht. Nicht alle halten die Zeitung aus ihrem Konflikt heraus. Besonders gründlich ist eine Frau mit der Redaktion ins Gericht gegangen, die sie der „unsachlichen, teilweise unverschämten und hetzerischen Berichterstattung gegen den Heiligen Vater“ bezichtigt.
Die Frau schreibt, dass wir uns selbst eine Ohrfeige gegeben hätten. „Journalisten sollten erstmal die ganzen Vorgänge studieren und dann berichten“, dann bliebe von ihren „aufreißerischen Hetzberichten“ nichts mehr übrig. Und eine Entschuldigung beim Heiligen Vater wäre dann wohl überfällig, folgert die Kritikerin.
Vergeblich suche ich bei uns nach Schuld. Haben doch Journalisten von unterschiedlichen Agenturen und zahlreiche Korrespondenten die umstrittenen Entscheidungen und Aussagen aus Rom nahezu gleichlautend über die Medien verbreitet. An deren Korrektheit gibt es wenig Zweifel. Alle Nachrichten wurden bewertet – vor den geschichtlichen Hintergründen und vor den Ansprüchen, an denen sich ein Papst messen lassen muss. Danach folgten kritische journalistische Betrachtungen der päpstlichen Vorhaben – auch in dieser Zeitung. Nachrichtlich kamen aber nicht nur Kritiker zu Wort, sondern auch Sprecher des Papstes aus dem Vatikan – soweit man sich dort noch äußerte. Auch die eher seltenen verständnisvollen Töne wurden nicht verschwiegen.
Nun mag der Papst in Glaubensfragen für katholische Christen als unfehlbar gelten, mag sogar als Stellvertreter Gottes auf Erden bezeichnet werden. Das macht ihn, gegenwärtig den Menschen Joseph Ratzinger, in seinen Entscheidungen nicht unantastbar, schützt ihn nicht vor Kritik. Medien blicken gerade wegen seiner weltweiten Bedeutung aufmerksam auf ihn. Das wird von ihnen erwartet.
Anno 2009 ist es also überflüssig, weltliche Grundrechte, zu denen die Freiheit der Meinung und der Medien zählen, gegen die strenge Hierarchie einer Kirche aufzurechnen, selbst wenn die für eine Weltreligion steht.
Leider hat die Kritikerin ihr Schreiben konsequent beendet: „Sollte die Entschuldigung (beim Papst) nicht erfolgen, werde ich mein Abo umgehend kündigen.“
Meine Antwort: „Liebe Frau, ich bedauere zutiefst, dass wir Sie wohl als Abonnentin verlieren müssen, aber darüber nicht unser Verständnis für christliche Werte aufgeben. Die vertragen sich nicht nur bestens mit den Freiheitsrechten unseres Landes, sondern sind durch sie sogar besonders geschützt. Das ist hierzulande seit mittlerweile genau 60 Jahren so. Zugegeben, wenig gegen fast zwei Jahrtausende Christentum. Und doch ist es dieses kleine Freiheitsjubiläum, das mir Hoffnung macht, dass Sie bei uns bleiben. Das kann Ihren und unseren Glauben nur stärken.“