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Wie die FDP Schlecker für sich nutzt
Von unserem Korrespondenten Rudi Wais
 |  aktualisiert: 30.03.2012 19:36 Uhr

Abzustimmen gibt es nichts. Den Mitgliedern des bayerischen FDP-Vorstandes genügt am Donnerstag eine schnelle E-Mail, um sich auf eine gemeinsame Position der Partei im Fall Schlecker zu verständigen: Wenn die Konjunktur so brummt wie im Moment, müssen entlassene Mitarbeiterinnen nicht in einer staatlich alimentierten Gesellschaft zwischengeparkt werden.

„Wie soll ich“, fragt Wirtschaftsminister Martin Zeil später, „denn den Beschäftigten von Müller Brot, Pfleiderer oder Nokia Siemens Networks erklären, dass ich den Schlecker-Mitarbeitern mit Steuergeldern helfe, ihnen aber nicht“.

Würde Otto Graf Lambsdorff noch leben, das ordnungspolitische Gewissen der Liberalen – er wäre zufrieden mit seinen Enkeln. Mitten in einer existenziellen Krise sind sie nicht der Versuchung des Populären erlegen, sondern haben sich auf ihre Prinzipien besonnen. Wenige Tage nach der grandios verpatzten Wahl im Saarland hat die Partei wieder ein Thema, ihr Thema: Es sei nicht Aufgabe der Politik, sagt FDP-Chef Philipp Rösler, für unternehmerische Fehler zu bezahlen. Dass die Zeitungen tags darauf mit wenig schmeichelhaften Überschriften wie „Schlecker-Hilfe scheitert an der FDP“ erscheinen, nimmt er in Kauf.

Bei Umfragewerten um die vier Prozent versucht der Vorsitzende, die Partei wieder als stärkere Stimme der ökonomischen Vernunft zu profilieren. In Nordrhein-Westfalen sind die Liberalen zwar, wie es im Flurfunk der Bundestagsfraktion heißt, eher aus Schusseligkeit denn aus Kalkül in vorgezogene Neuwahlen geschlittert – dafür aber pochen sie nun in Düsseldorf umso energischer auf eine solide Haushaltsführung.

Im Streit um Schlecker verhält es sich ähnlich: Erst ließ Zeil sich eine kleine Hintertür für die ungeliebte Transfergesellschaft offen, am Ende allerdings klang er, als habe er nie etwas anderes gewollt als eine Lösung ohne den Staat: „Es darf keine Insolvenzen erster und zweiter Klasse geben.“ Der Allgäuer Abgeordnete Stefan Thomae denkt genauso: Die Entscheidung gegen die Gesellschaft sei „in der Sache richtig und ordnungspolitisch sowieso“. Philipp Rösler selbst erlebt all das nur noch von der Seitenlinie aus. In Düsseldorf wurde der glücklose Parteichef bei der Kür des Spitzenkandidaten vor vollendete Tatsachen gestellt – und ihr Nein zu einer Schlecker-Bürgschaft setzten Zeil und seine Ministerkollegen aus Sachsen und Niedersachsen ebenfalls alleine durch. „Den Rösler fragt keine mehr“, sagt ein FDP-Insider.

Selbst wenn der Kurs der neuen Konsequenz sich für die Partei bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen in Ergebnissen jenseits der Fünfprozentmarke auszahlt, sollte Rösler sich davon nicht zu viel versprechen. Vor zwölf Jahren gab es schon einmal einen FDP-Vorsitzenden, der sich nach Erfolgen in eben jenen Bundesländern wieder etwas sicherer wähnte. Kurz darauf putschte Guido Westerwelle gegen Wolfgang Gerhardt.

 
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Kommentare
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  • Du_di_ned_oo
    ... und Klüngel steht soll nun für "Ordnungspolitik" stehen?

    Frage zu Westerwelle und seiner Vetternwirtschaft von Bauer Schulte-Brömmelkamp
    http://www.youtube.com/watch?v=Fri5tdfBp5c

    Westerwelle: Ohne Leistungsgerechtigkeit ist das Fundament des Sozialstaates in Gefahr
    http://www.youtube.com/watch?v=ey9XHM9ZBCQ

    Vetternwirtschaft: Niebel angezeigt
    http://deutschlandecho.org/index.php/2012/01/26/vetternwirtschaft-minister-dirk-niebel-fdp-angezeigt/

    Niebel: Betreibe keine FDP-Vetternwirtschaft
    Vetternwirtschaft betreibe er bei der Besetzung von Posten in seinem Ministerium nicht, sagt Entwicklungsminister Dirk Niebel. Kompetenz sei wichtig, nicht eine FDP-Mitgliedschaft. Kritiker aber meinen: Er will Parteifreunde noch rasch versorgen, ehe die FDP nichts mehr zu sagen hat.
    http://www.focus.de/politik/deutschland/entwicklungspolitik-niebel-betreibe-keine-fdp-vetternwirtschaft_aid_704203.html

    Einen "Porsche-Student" wie Lindner der Millionen von KFW-Steuergelder innerhalb einiger Wochen durchgebracht hat und dann als Politiker Karriere macht sollen wir zutrauen für "Ordnung" zu sorgen?
    wenn Plagiatoren und Faulenzer wie Koch-Mehrin und Chatzimarkakis und Pleitiers wie Lindner sich als Retter eine "Ordnung" aufspielen dann ist das doch nur noch lächerlich.

    FDP - Bollwerk gegen den Sozialismus
    http://www.youtube.com/watch?v=UBFzLt4MpC4

    FDP - Die Dekadenten
    http://www.youtube.com/watch?v=zZJ-v2d9J_E

    "Dr." Silvana Koch-Mehrin - das Kompetenzzentrum der FDP
    http://www.youtube.com/watch?v=QE2_Y-VgtcM

    Nur noch Peinlich: Faule EU-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin (FDP) schätzt Schulden
    http://www.youtube.com/watch?v=T8uHsWVisJU
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  • Es ist nachvollziehbar schwierig, darüber zu entscheiden, ob und wieviel öffentliche Hilfe man Schlecker (und ähnlichen Konzernen) zukommen ließe für eine Sanierung. Neben der ökonomischen Frage spielen sicher auch sozial-gesellschaftliche und ggf. auch ökologische Aspekte eine wichtige Rolle. Klar ist auch, dass es positive und negative Beispiele aus der Vergangenheit gibt. Ebenso klar ist, dass der kleine Mittelständler, z. B. ein in Schwierigkeiten geratener Handwerksbetrieb, keine öffentliche Hilfe zu erwarten hat. Hilft er sich nicht selbst, hilft im zumeist niemand. Aber eines ist vollkommen klar: Wäre Schlecker eine Bank, wäre er längst gerettet. Und zwar mit der angeblichen Mittelstandspartei FDP und unabhängig davon wie dilettantisch das Managerversagen auch war. Helmut Schwartl
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  • und die Partei-Brille annehmen. Im übrigen: "..aber um ihre Kolleginnen aus den kleinen Drogerien, die schließen mussten, weil die großen Ketten sie verdrängt haben, hat sich auch kein Politiker gekümmert" schreibt Rudi Wais in seinem heutigen "Konta". Und da hat er m.E. auch recht, aber eines vergessen: Auch die Gewerkschaften habensich um diese kleinen Drogerien nicht gekümmert, weil die paar Angestellten das "nicht lohnten" bzw. in der Regel nicht organisiert waren.
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  • diePartei-Brille natürlich ABnehmen;-)
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  • pippo
    Der ganze Schlamassel mit den "Rettungsschirmen" begann schon, wie richtig erwähnt, mit Holzmann, Quelle und den weiteren. Erreichte fast seinen Höhepunkt mit der Bankenrettung der Lehman Brothers und gipfelt jetzt mit der Bereitstellung von bisher ca. 500 Milliarden € u.a. für den aufgeblähten insolventen griechischen Staat, der es versäumte, durch seine "Klientelpolitik" von seinen "Reichen" die nötigen Steuern einzutreiben. Auch unsere (lobbyistischen) Politiker in Deutschland haben die Zügel der "sozialen" Marktwirtschaft aus den Händen gegeben und beugen (verneigen) sich immer mehr. Eine immer mehr (weiter) aufgeblähte Verwaltung in der EU und besonders in Deutschland (vor allem im Bund, den Ländern und Krankenkassen) sind nicht in der Lage, die auf den Rücken der Beschäftigten angehäuften Gewinnabschöpfungen großer Firmen (Schlecker und Banken) so zu besteuern, dass daraus eine "soziale" Marktwirtschaft zu regeln wäre. Wenn dies so weiter geht brauchen wir uns nicht wundern, wenn es in absehbarer Zeit auch in Deutschland durch eben diese "Klientelpolitik" zu "griechischen Verhältnissen" kommt und die "immer mehr geschröpfte untere Einkommensschicht" berechtigter Weise "rebelliert".
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