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Wie die Architektur einer Klinik die Heilung beeinflusst
Das Foto zeigt das Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim. Die Klinik feiert ihr 70-jähriges Bestehen.
Foto: Caritas | Das Foto zeigt das Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim. Die Klinik feiert ihr 70-jähriges Bestehen.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 24.10.2016 03:35 Uhr

Zu eng, zu laut, zu hell, zu dunkel, zu schlechte Luft oder zu lange Wege? Das sind nur einige der Punkte, die in Kliniken oft kritisiert werden. Dass die räumlichen Gegebenheiten den Heilungsprozess beeinflussen, darüber sind sich Experten einig. Doch wie sollte ein Krankenhaus aussehen? Antwort darauf gaben bei einer Fachtagung in Würzburg Professorin Dr. Christiane Höller vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und Professor Dr. Ulrich Vogel Professor für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg.

Frage: Niemand liegt gerne im Krankenhaus. Ist die Architektur eines Hauses da überhaupt wichtig?

Ulrich Vogel: Ja. Heute versuchen die Architekten das zu vermeiden, was Krankenhäuser der 1960er und 70er-Jahre ausgestrahlt haben: Damals war man als Besucher oder Patient schon beklommen, wenn man nur das Foyer betrat. Heute ist das Ziel, erst einmal in einen öffentlichen Raum zu gelangen, der schön, lichtdurchflutet und ästhetisch ist.

Wie sollte ein Krankenhaus aussehen?

Christiane Höller: Ein modernes Krankenhaus sollte sich harmonisch in das Erscheinungsbild des Ortes einfügen und die Gemeinde hinter sich wissen. Ein gutes Beispiel ist ein orthopädisches Kinderkrankenhaus in den Alpen, in dem Architekten eine graue Betonstützwand zu einer bunten Kletterwand umfunktioniert haben. Dort trifft sich die örtliche Klettergruppe. Das schafft eine Identifikation der Bevölkerung mit „ihrem“ Krankenhaus und ist für die Kinder etwas Tolles.

Beeinflussen Krankenhausräume die Gesundheit von Patienten?

Vogel: Ja. Bei großen Operationen kann die Qualität der Raumluft dazu beitragen, dass es nicht zu Infektionen kommt. Ein gut geplantes Krankenhaus mit optimalen Platz- und Unterbringungsbedingungen hilft zu verhindern, dass Infektionskrankheiten, wie die Influenza, aber auch multiresistente Erreger, übertragen werden.

Laut AOK Report 2014 sterben jährlich 19 000 Patienten an Behandlungsfehlern. Ein Grund sind Infektionen – auch durch baulich bedingte Hygienemängel?

Höller: Wenn eine Infektion auftritt, muss nicht zwingend ein Hygienemangel vorliegen. Häufig sterben Patienten, weil sie an vielen Krankheiten gleichzeitig leiden. Natürlich gibt es aber auch Hygienemängel, die zu Infektionen führen können. Intelligente Krankenhausplanung soll das Arbeiten so erleichtern, dass es erst gar nicht dazu kommt. Patientenzimmer auf Intensivstationen sollten groß genug sein, damit das Personal um den Patienten herum gut arbeiten kann. Einzel- sind aus hygienischer Sicht besser als Mehrbettzimmer. Versorgungs- und Entsorgungswege sollten sich nicht kreuzen. Die Wege zwischen Zimmern und der Entsorgung von Steckbecken sollten kurz sein, Desinfektionsmittelspender für die Hände nahe an Patientenbetten hängen.

Spielen Licht und Lärm für den Heilungsprozess eine Rolle?

Höller: Ja, besonders auf der Intensivstation. Lärm und Licht sind sehr subjektiv. Patienten fühlen sich gestresst, wenn es zu laut ist oder die Beleuchtung so schlecht, dass sie nicht sehen können, was mit ihnen passiert. Die Folge können Angstzustände sein, die die Heilung beeinträchtigen. Reduziert man den Lärm und passt das Licht an den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus an, desto weniger Patienten empfinden ihren Aufenthalt auf der Intensivstation als traumatisch. Senkt man den Stresslevel, senkt dies auch indirekt die Infektionszahlen. Der Patient ist widerstandsfähiger und sein Körper kann mehr Kraft zum Heilen aufbringen.

Bekommen Patienten unter Betäubung überhaupt etwas mit?

Vogel: Intensivmediziner haben uns vermittelt, dass man heutzutage versucht, Patienten schneller in die Wachphase zu bekommen. Auch sedierte Patienten scheinen auf der Intensivstation mehr Dinge wahrzunehmen, als man früher glaubte. Die vielen Monitore und Geräte sollten daher so gestellt sein, dass die Lärmbelastung für den Patienten minimiert und seine Sicht nicht eingeschränkt ist. Diese und andere bauliche Maßnahmen tragen nach Ansicht unserer Referenten heutzutage dazu bei, dass Patienten nach Ihrer Entlassung den Aufenthalt auf der Intensivstation nicht als Trauma in Erinnerung behalten.

Ist das in Mainfrankens Krankenhäusern alles schon so optimal umgesetzt?

Vogel: Diese, in den letzten zehn Jahren erworbenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, werden erst seit kurzem bei Neubauten berücksichtigt. In Berlin und in München wurden Testzimmer etabliert, in denen alles ausprobiert, der Lärmpegel gemessen und das spätere Behandlungsteam nach der Behandlung befragt wurden. Der Vortrag aus Großhadern stellte den kürzlich erfolgten Neubau der dortigen Intensivstation vor.

Werden auch bestehende Krankenhäuser von den Behörden bezüglich der Bauhygiene überprüft?

Höller: In Bayern überprüfen und überwachen die Gesundheitsämter die medizinischen Einrichtungen, seit 2011 jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Was passiert, wenn sie Mängel finden?

Höller: In diesem Fall kann man das Haus nicht einfach abreißen. Meist haben wir es mit Altbauten zu tun und müssen Kompromisse finden. Doch im Rahmen eines Sonderkontingents hat das Ministerium 2012 und 2013 insgesamt 80 Millionen Euro für hygienerelevante Baumaßnahmen zur Verfügung gestellt.

Haben auch Kliniken in Mainfranken davon profitiert?

Höller: Ja, umgebaut und erweitert wurden die Intensivstation und der Aufwachraum an den Haßberg-Kliniken, die Zentralsterilisation am Orthopädischen Krankenhaus Schloss Werneck und die Intensivstation an der Main-Klinik in Ochsenfurt.

Wie viele Krankenhäuser haben sie seit 2011 schwerpunktmäßig überprüft?

Höller: 2011 haben wir uns alle OP-Abteilungen und alle Intensivstationen in allen bayerischen Krankenhäusern angeschaut: Das sind um die 380 Häuser. Im folgenden Jahr haben wir uns die neonatologischen Intensivabteilungen (Frühgeborenenmedizin), alle Knochenmarkstransplantationseinheiten, alle Notaufnahmen und alle Entbindungsabteilungen angeschaut. Die letzten zwei Jahre haben wir ausschnittsweise ambulante OP-Praxen überprüft.

Tagung in Würzburg: Bauen in medizinischen Einrichtungen

Wie die Architektur von Krankenhäusern am besten aussehen sollte, darüber informierten sich 270 Gäste, darunter Architekten, Hygienefachpersonal und Kliniker bei einer Tagung im ZOM (Zentrum Operative Medizin) des Universitätsklinikums Würzburg.

Architekten, Ingenieure und Mediziner aus ganz Deutschland referierten in Fachvorträgen von ihren Erfahrungen. Die Organisatoren der Tagung, Christiane Höller und Ulrich Vogel, planen eine Folgeveranstaltung in zwei Jahren.

Höller ist Leiterin des Sachgebiets Hygiene am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Oberschleißheim. Die Professorin und Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin, ist dort zuständig für Krankenhaus-, Wasser- und allgemeine Hygiene.

Vogel ist Professor für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg. Er leitet die Stabsstelle Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums.
Christiane Höller
Foto: LGL | Christiane Höller
Ulrich Vogel
Foto: Marc Hagemeister | Ulrich Vogel
 
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