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WASHINGTON
„Wenn Sie einfach nur still wären . . .“
Von Michael Reinhard michael.reinhard@mainpost.de
 |  aktualisiert: 07.07.2017 03:43 Uhr

Alle menschlichen Organe werden irgendwann müde, nur die Zunge nicht“, warnte schon Konrad Adenauer, erster deutscher Bundeskanzler, vor zuviel Geschwätzigkeit in der Politik. Welchen Schaden diese negative Eigenschaft anrichten kann, erfährt nun auch der amerikanische Präsident Donald Trump. Denn der Twitter-König aus dem Oval-Office hat sich mit selbstherrlichen Aussagen in der Russland-Affäre um Kopf und Kragen geredet – und ist damit selber ins Visier von Sonderermittler Robert Mueller geraten. Die Ermittlungen gegen den Präsidenten markieren einen dramatischen Wendepunkt in der Frage, inwieweit Russland möglicherweise den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf beeinflusst hat.

Bislang stand nicht Trump selbst im Fokus der Ermittler, sondern Mitarbeiter in seinem Umfeld. Mueller hat den Auftrag, zu untersuchen, ob Russland Einfluss zugunsten des republikanischen Kandidaten auf die Präsidentschaftswahlen genommen hat. Er geht in diesem Zusammenhang unter anderem der Frage nach, ob es illegale Kontakte aus Trumps Wahlkampf-Mannschaft nach Russland gab.

Es steht der Vorwurf im Raum, die Justiz behindert zu haben

Über die genauen Gründe, weshalb Mueller entschieden hat, auch gegen den Präsidenten ein Verfahren einzuleiten, lässt sich nur spekulieren. Es steht der schwere Vorwurf gegen ihn im Raum, die Justiz möglicherweise behindert zu haben.

Vermutlich hat sich Donald Trump vor allem mit seinen Aussagen zur Entlassung von FBI-Chef James Comey ins Blickfeld der Ermittler manövriert. So hat er beispielsweise am 11. Mai in einem Interview gesagt, er habe an „dieses Russland-Ding“ gedacht, als er Comey entließ. Das Weiße Haus hatte dessen Absetzung allerdings mit Comeys Rolle in der E-Mail-Affäre Hillary Clintons und einer entsprechenden Empfehlung des Justizministeriums begründet.

Wenn Donald Trump tatsächlich nachgewiesen werden sollte, dass dieses „Russland-Ding“ den früheren FBI-Chef seinen Job gekostet hat, könnte dies für ihn schwerwiegende Folgen haben. Der Verdacht läge nahe, dass der Präsident einen unliebsamen Ermittler entsorgen wollte. Dem russischen Außenminister Sergey Lawrow hatte Donald Trump jedenfalls anvertraut, dass er mit dem Rauswurf Comeys „starken Druck“ losgeworden sei.

Comey selbst hat vor dem Kongress ausgesagt, er gehe davon aus, dass ihn Trump gefeuert habe, um die Untersuchungen in der Russland-Affäre zu untergraben. Demnach wollte Trump erreichen, dass Ermittlungen gegen seinen früheren Sicherheitsberater Michael Flynn, der als Schlüsselfigur gilt, eingestellt werden. Flynn musste gehen, weil er falsche Angaben über seine Moskau-Kontakte gemacht hatte.

Mit jeder Enthüllung rückt ein Amtsenthebungsverfahren näher

Donald Trump bestreitet die Anschuldigungen und spricht via Twitter von der „größten Hexenjagd in der politischen Geschichte Amerikas“, angeführt von einigen „sehr schlechten Menschen“. Es gebe „null Beweise“ für geheime Absprachen mit Russland. Dennoch versuchten es seine Gegner weiter mit „erfundenen Vorwürfen“.

Doch Trumps harsche Rechtfertigung kann nicht das Dilemma übertünchen, in dem er sich nun befindet. Feuert er Sonderermittler Mueller, wäre dies ein weiteres Indiz für Einschüchterungsversuche gegenüber Ermittlern und hätte wahrscheinlich ein Amtsenthebungsverfahren zur Folge. Lässt er Mueller und seinem Team freie Hand, muss er damit rechnen, dass diese belastendes Material zutage fördern.

So oder so wird mit jeder neuen Enthüllung ein Amtsenthebungsverfahren immer wahrscheinlicher. Dann könnte eintreten, was der republikanische Senator Lindsay Graham vor ein paar Tagen orakelt hat: „Sie könnten der erste Präsident in der Geschichte der USA werden, der untergeht, weil Sie nicht aufhören können, in unangemessener Weise über Ermittlungen zu sprechen, die Sie entlasten würden, wenn Sie einfach nur still wären.“

 
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Kommentare
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  • G. S.
    Grundsätzlich sollte ein Chefredakteur um seine Leserschaft wissen. Es scheint so, als müssten sich alle Journalisten und Talkshow-Masterinnen an Mr. President Trump abarbeiten, weil er nicht der politischen Kaste und nicht den eigenen Wahlprognosen entspricht. In Mainfranken gibt es mit Sicherheit spannende Themen, die es Wert sind, journalistisch aufgearbeitet zu werden. Die USA und speziell Trump sind in den Medien überrepräsentiert. Think global, act local!
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  • A. H.
    So lange da noch nicht jeder seine S..... dazu gegeben hat, wird sich an der Gewichtung nix ändern, auch wenn immer wieder das gleiche gesagt wird.
    In der Tat: Es gibt Themen, die einer Aufarbeitung bedürften und wegen der "Trumpomania" hinten runter fallen. Lösen müssen das Problem eh' die Amis selber und die sind doch m.E. schon dran.
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  • A. H.
    20:40: bin überrascht, dass dieser Kommentar nach fast 5 Stunden nun doch noch seinen Weg fand........
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  • G. L.
    Auf eigenen Wunsch hin gelöscht.
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  • S. G.
    selten so gelacht...........ich hoffe ihr Kommentar ist ironisch gemeint..........
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