Er ist 33 Jahre jung und will in Bayern Ministerpräsident werden. Benjamin Wildenauer ist Herzblut-Pirat, Stadtrat in Bad Brückenau (Lkr. Bad Kissingen), Vorsitzender der Piratenpartei in Unterfranken und Netzexperte. Seine Kandidatur, das sagt er selbst, ist mit viel Selbstironie gespickt, denn laut der Bayerischen Verfassung muss der Ministerpräsident mindestens 40 Jahre alt sein. „Warum eigentlich?“, fragt sich Wildenauer – und stellt gleich eine ganze Reihe anderer Dinge in Frage.
Benjamin Wildenauer: Uns ist aufgefallen, dass sich keine Partei traut, einen Ministerpräsidenten-Kandidaten aufzustellen mit dem Vorhaben, tatsächlich den Regierungschef zu stellen. Dass Söder Ministerpräsident werden soll, scheint völlig gesetzt zu sein. Das ist nicht Sinn der Angelegenheit. Damit verfestigen wir das ja schon royale Gebaren der CSU.
Wildenauer: Er macht genauso wie die CSU unter Horst Seehofer viel, viel Symbolpolitik. Allein die bayerische Grenzschutzpolizei: Da wird von 1000 neuen Stellen geredet. Wäre es nicht sinnvoller, dieses Personal auf dem Land wie zum Beispiel in Bad Brückenau einzusetzen, damit die Polizei häufiger Streife fahren kann? Auch die Initiative Bayernheim, mit der 10 000 bezahlbare Wohnungen geschaffen werden sollen, das lässt sich natürlich toll verkaufen. Aber dass ausgerechnet Söder 33 000 Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaft GBW an private Investoren verkauft und das Ganze auf Vorgaben der EU geschoben hat, daran erinnert er sich offensichtlich selbst nicht mehr. Es war eine Lüge, dass die EU es verboten hat. Sie hat nur Auflagen gemacht.
Wildenauer: Wir, die Piraten, sind in den letzten Jahren als Partei etwas aus der öffentlichen Wahrnehmung gerutscht. Auf jeden Fall haben wir das Ziel erreicht, dass die Leute realisieren: Uns gibt es noch. Man muss das auch mit einer gewissen Selbstironie sehen. Wenn man so lange wie ich Politik macht, ohne entsprechende Wahlergebnisse zu verzeichnen, kann man schnell die Motivation verlieren. Und das wäre nicht gut.
Wildenauer: Es gibt keine Alternative. Die SPD hat hervorragende Netzpolitiker in ihren Reihen gehabt und dennoch hat sie nicht auf sie gehört. Die Grünen haben in der Ära Gerhard Schröder alles mitgetragen bei den Anti-Terror-Gesetzen nach dem 11. September, auch in Sachen Hartz IV. Alles, was rechts ist, kommt für mich überhaupt nicht in Frage, genauso wie die FDP. Und die Linke kommt nicht in Frage, wenn man sich anschaut, wie sich zum Beispiel Sahra Wagenknecht mit ihrer neuen Initiative „Aufstehen“ zur Asylpolitik äußert. Da kommen einem Zweifel, ob das eine Bewegung oder eine reine Ein-Personen-Show sein soll.
Wildenauer: Ich weiß nicht, wie oft ich seit 2009 auf die Straße gegangen bin: Vorratsdatenspeicherung, das Polizeiaufgabengesetz oder das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz. Wo man hinschaut, werden Kommunikationsdaten, Bewegungsprofile und so weiter erfasst. Gleichzeitig werden die Hürden zur Verwendung dieser Daten zur Strafverfolgung herabgesetzt, auch ohne Terrorgefahr. Wir kritisieren an der europäischen Datenschutz-Grundverordnung, dass sie Probleme nicht wirklich anpackt. Doch was das Sammeln von Daten durch den Staat angeht, darauf hat sie ja überhaupt keinen Einfluss.
Wildenauer: Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig. Mich hat es interessiert, was die den ganzen Tag in der Bibliothek machen. Und was die Städtepartnerschaft angeht: Ich bin ein glühender Verfechter Europas, daher bin ich der Ansicht, dass man solche kleinen Initiativen mit Leben füllen muss. Denn wenn es im Kleinen nicht funktioniert, wie soll es im Großen funktionieren?
Wildenauer: Natürlich ärgert es einen. Ich glaube, dass die etablierten Politiker nicht immer richtig einschätzen, was ich den ganzen Tag mache. Aber eigentlich ist es mir egal. Sollen sie mich doch belächeln.