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Was Kiel für Berlin bedeutet
Redaktion
 |  aktualisiert: 06.05.2012 21:29 Uhr

Die Abwahl der schwarz-gelben Regierung in Kiel ist nach Ansicht von Wahlforschern kein Fanal für Berlin. Dass in Schleswig-Holstein trotz heftigen Sperrfeuers durch die Piraten eine Regierung auch jenseits der CDU möglich wurde, liegt auch am Sonderfall des SSW, dem Vertreter der dänischen Minderheit. Dennoch sah die Forschungsgruppe Wahlen am Sonntag im Kieler Ergebnis der Landtagswahlen zwei zentrale Botschaften: Ein aufbrechendes Parteiensystem und eine vielfältige Konkurrenz links der Mitte.

Die SPD kann sich trotz eines deutlichen Stimmenzuwachses nicht von der CDU absetzen. Sie verdankt ihre Gewinne nach Angaben der Forscher dem Image ihres Spitzenkandidaten, dem Ansehen der Partei und dem Wunsch nach sozialdemokratischer Regierungsführung.

Die Forschungsgruppe hat ermittelt, dass eine rot-grüne Koalition selbst mit Beteiligung des SSW einer großen Koalition vorgezogen wird. Rot-Schwarz bewerten noch 36 Prozent positiv, Schwarz-Rot – also die CDU-geführte große Koalition – fänden nur 34 Prozent gut (schlecht finden das 40 beziehungsweise 47 Prozent).

Dass die Liberalen trotz schwacher Leistungsbilanz und negativen Parteiansehens im Landtag bleiben, verdanken sie den Angaben zufolge vor allem Wolfgang Kubicki (lesen Sie dazu das Porträt auf Seite 3). Für 66 Prozent der FDP-Wähler war er ausschlaggebend. Gerade 28 Prozent haben die FDP wegen der Inhalte gewählt. Trotzdem verschafft Kubicki seiner angeschlagenen Partei dringend benötigte Luft zum Atmen.

Bei den Wählern der Piraten war das Hauptmotiv nach inzwischen bekannten Mustern für 74 Prozent Unzufriedenheit mit den anderen Parteien (Inhalte: 22 Prozent), wobei sich die Merkmale einer Protestpartei auch in ihrer Wählerstruktur widerspiegeln. 44 Prozent (alle Befragte: 29 Prozent) fühlen sich in ihrem Leben benachteiligt.

Nach Angaben der Forschungsgruppe erreicht SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig auch dank lagerübergreifender Wertschätzung ausgesprochen gute 2,2. Dazu kommen Vorteile in Sachen Sympathie und mehr Nähe zum Land, weshalb letztendlich 42 Prozent aller Befragten SPD-Kandidat Albig und nur 30 Prozent CDU-Kandidat de Jager als Regierungschef wollen. Zwar erzielt neben Wolfgang Kubicki (0,8), Robert Habeck von den Grünen (1,4) und Anke Spoorendonk vom SSW (1,2) auch CDU-Spitzenmann Jost de Jager einen guten Imagewert. Doch mit 1,4 bleibt de Jager weit entfernt von seinem unmittelbaren Konkurrenten Albig.

Nur bedingt kompensieren kann die CDU ihr personelles Defizit bei den Parteikompetenzen: Zwar wird ihnen finanzpolitisch mehr zugetraut als der SPD (CDU: 34 Prozent, SPD: 27 Prozent), bei den beiden anderen Top-Themen Bildung (21 bzw. 34 Prozent) und Jobs (30 bzw. 34 Prozent) liegt aber die SPD vorne. Die Energiepolitik, im Norden ebenfalls ein großes Thema, wird klar von den Grünen beherrscht. FDP und Piraten bleiben in sämtlichen Politikfeldern praktisch unsichtbar.

Große Stütze der CDU ist einmal mehr die ältere Generation: Bei den ab 60-Jährigen holt die Partei 37 Prozent, bei den 18- bis 29-Jährigen liegt sie dagegen mit 22 Prozent ähnlich wie die SPD mit 24 Prozent nur knapp vor den Piraten. Die kommen in dieser Gruppe auf 21 Prozent – und schieben sich damit vor die Grünen, die hier 16 Prozent erzielen. Text: dpa

Mögliche Koalitionen im Landtag von Schleswig-Holstein

Wer regiert demnächst in Schleswig-Holstein? Bei den Landtagswahlen am Sonntag waren landesweit gut 2,2 Millionen Stimmberechtigte in einer vorgezogenen Wahl aufgerufen. Schon dreimal wurde die Abstimmung über ein neues Parlament in

Schleswig-Holstein vorgezogen – aufgrund von Affären, Reibereien und auch aus juristischen Gründen. Nach den Hochrechnungen lagen CDU und SPD mit den Spitzenkandidaten Jost de Jager und Torsten Albig ziemlich gleich auf – mit leichtem Vorsprung für die CDU. Bei der Wahl im Jahr 2009 hatte die CDU noch klar vor der SPD gelegen. Mit besonderer Spannung war erwartet worden, ob die bundesweit kriselnde FDP mit ihrem Spitzenkandidaten Wolfgang Kubicki wieder in den Kieler Landtag kommt – was eindrucksvoll gelang. Die Piratenpartei zog zum dritten Mal innerhalb eines Dreivierteljahres in einen Landtag ein. Da in Schleswig-Holstein weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün eine Mehrheit möglich ist, werden die Farbenspiele immer bunter. Mögliche Koalitionen im neuen Kieler Landtag sind die folgenden – in der Reihenfolge ihrer Wahrscheinlichkeit:

Dänen-Ampel: Die SPD wünscht sich die sogenannte Dänen-Ampel aus Sozialdemokraten, Grünen und der Partei für die dänische Minderheit, SSW (Südschleswigscher Wählerverband). Der SSW ist von der Fünf-Prozent-Sperrklausel befreit. Doch auch für das Dreierbündnis könnte es knapp werden: Einer ARD-Umfrage und dem ZDF-Politbarometer zufolge kommt die „Dänen-Ampel“ auf knapp unter 50 Prozent der Wählerstimmen.

Große Koalition: Kommt es nicht zu einer „Dänen-Ampel“, gilt die große Koalition in Kiel als wahrscheinlich. Vorbild könnte das Bündnis von Union und SPD zwischen 2005 und 2009 im Bund sein: Im Nachhinein bewerten viele diese Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als erfolgreich und stabil. Unklar ist derzeit noch, welche Partei dann den neuen Ministerpräsidenten stellt: Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe hatte die CDU knapp die Nase vorn.

Jamaica-Koalition: Rechnerisch möglich ist auch eine „Jamaika“-Mehrheit aus CDU, FDP und Grünen. Doch während FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki mit einem solchen Bündnis liebäugelt, lehnen etwa die Grünen die Ampel ab. Zudem ist „Jamaika“ erst Anfang des Jahres vorzeitig im Saarland gescheitert.

Ampel-Koalition: Zwar ist rechnerisch auch ein Bündnis aus SPD, FDP und Grünen möglich. Dennoch erscheint diese Ampel-Koalition äußerst unwahrscheinlich. Neben Kubicki hat auch SPD-Fraktions- und Landeschef Ralf Stegner eine solche Koalition ausgeschlossen. Text: dpa

 
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