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BERLIN
Warum der Stern des Autos sinken wird
Von Jürgen Marks red.politik@mainpost.de
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:15 Uhr

Automobilisten müssen jetzt stark sein. Viele Jahrzehnte lang hat das Auto unser Leben dominiert. Hinter dem eigenen Lenkrad zu sitzen – das war der Traum aller Teenager und die Lust vieler Menschen, vor allem der Männer.

Das Auto generierte unseren Wohlstand, weil es hunderttausende Arbeitsplätze bei Daimler, Audi, VW und Opel schaffte. Gerade in Bayern leben viele Menschen von der Arbeit bei Autoherstellern und Zulieferern. In Deutschland sind insgesamt etwa 1,8 Millionen Arbeitsplätze direkt oder indirekt von der Autoproduktion abhängig.

Doch der Nimbus von deutscher Ingenieurskunst und automobiler Leidenschaft bröckelt. Und das hat mehrere Gründe.

Plötzlich ist die stolze Karosse nur noch eine Dreckschleuder

Der Abgasskandal hat dem Image des Autos einen üblen Tritt verpasst. Plötzlich ist die stolze Karosse eine Dreckschleuder. Die Gespräche drehen sich seltener um Hubraum und Beschleunigung. Diskutiert werden vielmehr gesundheitsschädliche Emissionen von Stickoxiden, Kohlendioxid und Feinstaub.

Die stolzen deutschen Autohersteller gelten nicht mehr als innovativ. Im Gegenteil: Ihre Verbrennungsmotoren wirken veraltet, wenn Tesla, Volvo oder Hyundai mit ihren Elektromotoren auftrumpfen. Auch wenn sich langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass die Fertigung einer Hochleistungsbatterie mehr Kohlendioxid in die Luft wirbelt, als ein Dieselmotor mit einer Laufleistung von fast 100 000 Kilometern verursacht.

In den immer engeren Städten sind Fahrer großer SUV inzwischen so beliebt wie ein Rachenkatarrh. Die Geländewagen gelten als Störenfriede und natürlicher Feind der Umwelt. En vogue ist stattdessen Carsharing. Beliebtes Argument: Das eigene Auto braucht's nicht es steht im Schnitt 23 Stunden täglich nur herum.

Noch wächst zwar die Zahl der Autos in Deutschland. Auch weil immer mehr Familien sich einen Zweit- oder gar Drittwagen leisten können. Doch das Ende des Booms ist absehbar. Dafür werden schon die Millennials sorgen.

Diese digital aufgewachsenen jungen Stadtmenschen empfinden ihr Smartphone als Statussymbol – und weniger das Auto. Viele organisieren sich Mobilität über Apps, haben Lust auf Fahrrad und öffentlichen Nahverkehr.

Eine neue Mobilität organisiert sich über digitale Plattformen

Nach Jahrzehnten der Monokultur des individuellen Autofahrens stehen wir nun vor einem Zeitenwechsel. Die Dominanz des Autos wird durch eine neue Mobilität gebrochen, die sich über digitale Plattformen nahezu perfekt organisiert. Apps zeigen uns, wo das nächste Carsharing-Fahrzeug oder das Leihfahrrad stehen. Oder wir planen die Fahrt mit günstigen Sammeltaxis, die vielleicht irgendwann auch autonom fahren.

Auch angesichts der Erstickungsgefahr in den Städten wird die Politik der neuen Mobilität eine größere Bedeutung einräumen. Die Straßen werden enger, weil Fahrradwege zu Fahrradstraßen wachsen. Besser getaktete Busse und Straßenbahnen nehmen mehr Raum ein. Das alles geschieht im Ansatz bereits etlichen Städten.

Der Verbrennungsmotor wird nur einer unter mehreren sein

Auch in der Industrie hat der Strukturwandel begonnen. Zunehmend werden Elektromotoren, die nur zehn Prozent der Bauteile eines Diesels haben, angeboten. Der Verbrenner wird nur noch einer unter mehreren Motoren sein. Hersteller starten Carsharing- und Sammeltaxi-Dienste, weil sie wissen, dass sie dieses Neugeschäft in Erwartung sinkender Autoproduktion brauchen.

Das alles heißt nicht, dass das Auto stirbt. Aber sein Stern sinkt. Automobilisten werden zwar auch in der Mobilität der Zukunft ihren Platz finden. Er wird im Vergleich zu heute nur deutlich kleiner werden.

 
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