Viel Zeit, die Herzen der als spröde geltenden Brandenburger zu erobern, hatte er nicht. Und die Fußstapfen, die seine beiden charismatischen Vorgänger Manfred Stolpe und Matthias Platzeck, beide begnadete Menschenfischer, im Amt des brandenburgischen Ministerpräsidenten hinterlassen hatten, waren groß. Vor genau einem Jahr, Ende August 2013, wurde Dietmar Woidke, bis dahin ein eher unauffälliger Innenminister in Brandenburg, erst zum SPD-Chef und dann zum Regierungschef gewählt, nachdem Matthias Platzeck völlig überraschend nach einem Schlaganfall von beiden Ämtern zurückgetreten war.
Doch der 52-jährige Lausitzer Dietmar Woidke, der bis heute in seinem Elternhaus in Naundorf, einem Ortsteil der Grenzstadt Forst im äußersten Südosten der Mark wohnt, hat es geschafft, aus dem Schatten seiner Vorgänger herauszutreten und zwischen Uckermark und Lausitz, Prignitz und Oderbruch als Landesvater populär zu werden. Längst gilt der bodenständige Sozialdemokrat als der beliebteste Politiker des Landes, obwohl er außerhalb Brandenburgs kaum bekannt ist.
Doch bei den Märkern kommt sein uneitler, nüchterner, zurückhaltender Stil an. Jeder Zweite will, dass er Ministerpräsident bleibt. Lediglich neun Prozent wollen, dass sein Herausforderer Michael Schierack von der oppositionellen CDU ihn ablöst. Und so spricht alles dafür, dass der Ministerpräsident die seit 1990 ununterbrochen regierende SPD auch bei den Landtagswahlen am kommenden Sonntag zu einem ungefährdeten Sieg führt und sich danach den Koalitionspartner aussuchen kann. In allen Umfragen liegt die SPD, die wie vor fünf Jahren auf 33Prozent kommen könnte, klar vor der CDU (25 bis 27 Prozent) und dem derzeitigen Koalitionspartner, der Linkspartei (21/22 Prozent).
Als sicher gilt, dass die euroskeptische AfD in den neuen Potsdamer Landtag, dem wiederaufgebauten Stadtschloss der Hohenzollern in der Mitte der einstigen preußischen Residenzstadt, einzieht, sie könnte aus dem Stand auf acht bis neun Prozent kommen. Die Grünen liegen derzeit stabil bei sechs Prozent. Dagegen dürfte die FDP wohl aus dem Landtag fliegen – nur zwei Prozent der Brandenburger wollen ihr ihre Stimme geben.
So unaufgeregt und unspektakulär, wie SPD und Linkspartei seit 2009 regieren, so verläuft auch der Wahlkampf in der Mark. Große Reizthemen gibt es nicht. Die Arbeitslosigkeit hat sich im Vergleich zu früher halbiert, in der Region rund um Berlin boomt die Wirtschaft. Nicht einmal das Debakel des Großflughafens überschattet den Wahlkampf, obwohl das Land Brandenburg wie Berlin zu 37 Prozent an der Flughafengesellschaft beteiligt ist und gleich mehrere Mitglieder der Landesregierung dem Aufsichtsrat angehören. Doch Dietmar Woidke, der sich weigerte, als Nachfolger Platzecks in das Aufsichtsgremium zu rücken, hat es geschafft, nicht mit dem Pannen-Airport in Verbindung gebracht zu werden und die gesamte Schuld am Desaster dem Berliner Kollegen und Parteifreund Klaus Wowereit in die Schuhe zu schieben.
Für Spannung sorgt einzig die Frage, wie es nach den Wahlen am Sonntag in Potsdam weitergeht. Die Linkspartei möchte die Koalition fortsetzen und rühmt sich mit den Erfolgen ihres Regierungshandelns, die CDU, die schon einmal unter ihrem Vorsitzenden Jörg Schönbohm von 1999 bis 2009 an der Seite der SPD regierte, hält sich mit Attacken zurück und kritisiert lediglich den „Stillstand“ im Lande.
„Die SPD wirkt ideenlos und müde, echte Lösungen für die Probleme der Zukunft sind von ihr aktuell nicht zu erwarten“, kritisiert CDU-Spitzenkandidat Schierack, ein 47-jähriger Arzt aus der Lausitz, der es geschafft hat, den chronisch zerstrittenen Landesverband zu einigen und an der Dominanz der SPD in ihrem ostdeutschen Stammland zu rütteln. So eroberte die CDU bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst neun von zehn Wahlkreisen. Die SPD hält sich dagegen alle Optionen offen und geht ohne Koalitionsaussage in die Wahl.
Die Wahl in Brandenburg in Zahlen
Mehr als 2,1 Millionen Wahlberechtigte können nach fünf Jahren Rot-Rot ein neues Parlament in Potsdam bestimmen. Aktuelle Umfragen legen eine Bestätigung der SPD/Linke-Regierung nahe. Derzeit kommt die SPD auf zwischen 31 bis 33 Prozent, die CDU landet bei 24 bis 25 Prozent, die Linke bei 21 bis 22 Prozent, die Grünen bei sechs Prozent, und die FDP verlöre ihre Parlamentssitze. Mitentscheidend könnte das Abschneiden der rechtskonservativen Alternative für Deutschland (AfD) sein, die Ende August in Sachsen mit fast zehn Prozent erstmals in ein Landesparlament eingezogen war.
In Brandenburg bewerben sich mehr als 400 Kandidaten für die 88 Sitze. Sie treten für elf Landeslisten von politischen Parteien und politischen Vereinigungen an. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) muss sich erstmals den Wählern stellen. Er hatte das Amt im August 2013 von seinem Parteifreund Matthias Platzeck übernommen, der einen Schlaganfall erlitten hatte und zurücktrat.
Die in Potsdam mit der SPD regierende Linke will die rot-rote Koalition fortsetzen. Dagegen haben die Sozialdemokraten eine Koalitionsaussage abgelehnt. Fünf Wochen vor der Wahl sorgte Woidke
allerdings für Aufsehen, als er in einem Interview sagte: „Aus der Erfahrung der aktuellen Regierungsarbeit gibt es keinen Grund, den Partner zu wechseln.“ CDU-Spitzenkandidat Michael Schierack tritt dafür an, die rot-rote Koalition in Brandenburg abzulösen. Text/Foto: Dpa