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SPD hat kurz vor der Wahl heikle Personalien zu klären
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 23.06.2017 04:10 Uhr

Keiner in der SPD will sich dem Verdacht aussetzen, er könne der traurigen Nachricht von der Krebserkrankung Erwin Sellerings irgendetwas Positives abgewinnen. Der Schock bei den Genossen sitzt tief darüber, dass sich der beliebte Landesvater von Mecklenburg-Vorpommern von allen seinen Ämtern zurückziehen muss. Doch gleichzeitig ist den SPD-Strategen klar: Die Partei musste die durch Sellerings Rücktritt entstehenden Personalfragen schnell klären, um ihre Chancen auf ein ordentliches Ergebnis bei der Bundestagswahl im Herbst noch irgendwie zu wahren.

Mit einem Sieg, mit einem Bundeskanzler Martin Schulz, rechnet im Moment ja keiner ernsthaft mehr. Zu tief sitzt der Schock nach drei verlorenen Landtagswahlen und deutlich abgesackten Umfragewerten für Kanzlerkandidat Martin Schulz. Schuld an der Misere, so grummelte es in der Partei zuletzt immer lauter, sei Generalsekretärin Katarina Barley.

Einpeitscher, Lautsprecher, Anführer der Abteilung Attacke, auch Strippenzieher – all das muss der Generalsekretär einer Partei nach gängiger Auffassung sein. Und all das war Katarina Barley nie. Das Willy-Brandt-Haus mit seinen konkurrierenden und intrigierenden Cliquen bekam sie nie in den Griff und ihre fehlende Erfahrung in der Organisation wichtiger Wahlkämpfe ließ sich zuletzt nicht mehr verbergen.

Barley-Problem auf ganz elegante Weise gelöst

Der Rücktritt Sellerings eröffnet der SPD nun die Möglichkeit, ihr Barley-Problem auf ganz elegante Weise zu lösen. Im Rahmen einer großen Personalrochade, bei der es scheinbar nur Gewinner gibt. Katarina Barley bleibt nicht nur ein karriereschädigender Rauswurf erspart, sie steigt sogar ins Amt der Familienministerin auf, für das sie mit ihrer ausgleichenden Art vielen als Idealbesetzung gilt. Manuela Schwesig, die bisherige Familienministerin, wird Regierungschefin ihrer Heimat Mecklenburg-Vorpommern – ein weiterer Karriereschritt. Ihre Rolle in der SPD dürfte künftig noch wichtiger werden.

Und Martin Schulz muss nun nicht mehr fürchten, der SPD mit einem möglichen Rauswurf Barleys mitten im Wahlkampf weitere Negativschlagzeilen zu bescheren. Er will nun beweisen, dass er als Parteichef über ähnliche Fähigkeiten im Posten-Schach verfügt wie sein Vorgänger Sigmar Gabriel. Der befand sich noch vor wenigen Monaten in einer scheinbar ausweglosen Situation. Alle erwarteten von ihm die Kanzlerkandidatur und räumten ihm gleichzeitig gegen Angela Merkel keine Chance ein. Zu unbeliebt schien Gabriel – sogar in den Reihen der SPD.

Im Wahlkampf darf nichts mehr schiefgehen

Doch dann machte er den Weg frei für den vermeintlichen Heilsbringer Martin Schulz. Und er trickste Frank-Walter Steinmeier ins Amt des Bundespräsidenten, folgte diesem als Außenminister nach. Heute wird Gabriel in der SPD als derjenige gefeiert, der die Aufbruchstimmung um den Kanzlerkandidaten aus Würselen erst ermöglichte. Doch Martin Schulz weiß spätestens seit der verheerenden Wahlniederlage seiner SPD in seiner Heimat Nordrhein-Westfalen dass der vermeintliche Schulz-Effekt verpufft ist.

Um ein Debakel bei der Bundestagswahl in vier Monaten zu vermeiden, darf im Wahlkampf nun nichts mehr schiefgehen für Schulz und die ganze SPD. Garantieren soll dies nun Hubertus Heil als neuer Generalsekretär. Dass Schulz nun den 44-jährigen Niedersachsen zur Schlüsselfigur seiner Kampagne macht, erstaunt indes. Heil hat zwar Erfahrung in diesem Amt, das er von 2005 bis 2009 schon einmal bekleidete.

Doch die von ihm entscheidend mitverantwortete Kampagne von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zur Bundestagswahl 2009 endete für die SPD mit dem schlechtesten Ergebnis aller Zeiten. Nur rund 23 Prozent der Wähler machten ihr Kreuz bei den Sozialdemokraten – Hubertus Heil trat anschließend zurück. Ob ausgerechnet er der festgefahrenen Kanzler-Bewerbung von Martin Schulz neuen Schub geben kann, ist mehr als fraglich.

 
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