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MÜNCHEN
Sollen schon Grundschüler ans Tablet?
Das Gespräch führte Sarah Ritschel
 |  aktualisiert: 26.07.2017 03:59 Uhr

Michael Kirch forscht und lehrt am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und Didaktik der Universität München. Er hat sogenannte Uniklassen ins Leben gerufen – voll digitalisierte Klassenzimmer, in denen Studenten neue Medien direkt in Schulklassen erproben.

Frage: Herr Kirch, digitale Kompetenz wird gern als vierte Kulturtechnik unserer Zeit bezeichnet. Ist der Umgang mit Smartphone und Tablet wirklich so wichtig wie lesen, schreiben und rechnen?

Michael Kirch: Natürlich ist es zunächst einmal wichtig, dass Kinder in der Grundschule lesen, schreiben und rechnen lernen. Aber die digitale Bildung sollte in jeder Bildungsphase eine Rolle spielen. Wenn Kinder lernen, kompetent mit digitalen Medien umzugehen, haben sie in der heutigen Zeit vielfältigere Möglichkeiten für ihr eigenes Lernen. Die von Ihnen angesprochenen Kulturtechniken beeinflussen sich gegenseitig.

Ist es sinnvoll, dass Kinder schon im Grundschulalter an die digitale Welt herangeführt werden?

Kirch: Ganz klar ja, und zwar mit fünf Ausrufezeichen! Ich halte es für eine ganz essenzielle Verantwortung des Staats, dass er Kinder und Eltern so früh wie möglich beim Umgang mit digitalen Medien anleitet und sie unterstützt.

Gegner eines digital geprägten Unterrichts sind oft der Meinung, dass Kinder ohnehin viel zu früh und viel zu oft an Tablet, Handy und Konsolen hängen und nicht auch noch im Unterricht damit zu tun haben sollten. Was sagen Sie diesen Leuten?

Kirch: Ich sage ihnen, dass die Schule die Aufgabe hat, Kinder auf unsere heutige Welt vorzubereiten und dass diese nun einmal stark digital geprägt ist. Ich würde ihnen weiterhin sagen, dass die mediale Nutzung außerhalb nicht mit der in der Schule gleichzusetzen ist.

Was können digitale Medien, was herkömmliche Unterrichtsmethoden nicht können? Nennen Sie doch bitte ein paar Beispiele.

Kirch: Sie ermöglichen beispielsweise, dass auch Kinder mit Einschränkungen besser am Unterricht teilnehmen können. So können manche Tablets sehbehinderten Kindern die Inhalte vorlesen. Apps ermöglichen stummen Kindern das „Sprechen“. Die Möglichkeit, auf Tablets die Schriftgröße oder den Zeilenabstand zu adaptieren, erleichtert insbesondere Leseanfängern das Lesen. Kinder, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, können Übersetzungsapps nutzen.

Wie gut kennen sich Kinder schon mit digitalen Medien aus, wenn sie in die Schule kommen?

Kirch: Eine Reihe von Studien zeigt, dass die Nutzung digitaler Medien unter Kindern zunimmt. Bereits Kinder im Vorschulalter haben Zugang zu vielfältigen Medien, sie sind in ihrer direkten Umwelt davon umgeben. Sie sehen, wie ihre Eltern diese verwenden und wissen sie teilweise erstaunlich selbst zu nutzen.

Wann ist es sinnvoll, digitale Hilfsmittel im Unterricht zu nutzen?

Kirch: Das liegt in der Hand der Lehrkraft und das soll auch so sein. Lehrerinnen und Lehrer wissen, dass digitale Medien alleine noch keinen guten Unterricht ausmachen. Um eine reflektierte Entscheidung darüber zu treffen, ob und wie Medien eingesetzt werden, müssen Lehrkräfte die zu vermittelnden Inhalte, ihre pädagogische Zielsetzungen und die technologischen Möglichkeiten miteinander abwägen.

Am Donnerstag erklärt Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im Landtag, wie Bayern in den nächsten Jahren in Digitalisierung investieren will. Gibt es an den Schulen noch Nachholbedarf?

Kirch: Bayerns Schulen sind – wie in den meisten anderen Bundesländern auch – auf einem guten Weg, jedoch noch weit von einer guten Ausstattung entfernt. Ich würde mir wünschen, dass jeder Lehrer und jeder Schüler an jedem Ort und zu jeder Zeit Zugang zu allen Medien hat. Nur dann können wir sie in der Schule mit der gleichen Selbstverständlichkeit verwenden, wie wir es im Alltag tun. In anderen Ländern ist das schon möglich, da ist das Tablet im Unterricht so normal wie der Bleistift. Foto: Michael Kirch

Was die Kinder lernen

Digitale Medien sind im Grundschullehrplan fächerübergreifend Thema. Hier drei Beispiele: Deutsch: Am Ende der 4. Klasse sollen Schüler Informationen aus allen Arten von Medien abrufen und diese auch nutzen können, um eigene Texte zu schreiben. Heimat- und Sachunterricht: Die Kinder setzen sich kritisch mit Medieninhalten auseinander und erfahren, wie man sie verantwortungsvoll nutzt. Zudem lernen sie zum Beispiel, sich mit GPS zu orientieren. Kunst: Die Schüler lernen, mit einer Digitalkamera umzugehen und Fotos zu überarbeiten. Sari
 
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