Michael Kirch forscht und lehrt am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und Didaktik der Universität München. Er hat sogenannte Uniklassen ins Leben gerufen – voll digitalisierte Klassenzimmer, in denen Studenten neue Medien direkt in Schulklassen erproben.
Michael Kirch: Natürlich ist es zunächst einmal wichtig, dass Kinder in der Grundschule lesen, schreiben und rechnen lernen. Aber die digitale Bildung sollte in jeder Bildungsphase eine Rolle spielen. Wenn Kinder lernen, kompetent mit digitalen Medien umzugehen, haben sie in der heutigen Zeit vielfältigere Möglichkeiten für ihr eigenes Lernen. Die von Ihnen angesprochenen Kulturtechniken beeinflussen sich gegenseitig.
Kirch: Ganz klar ja, und zwar mit fünf Ausrufezeichen! Ich halte es für eine ganz essenzielle Verantwortung des Staats, dass er Kinder und Eltern so früh wie möglich beim Umgang mit digitalen Medien anleitet und sie unterstützt.
Kirch: Ich sage ihnen, dass die Schule die Aufgabe hat, Kinder auf unsere heutige Welt vorzubereiten und dass diese nun einmal stark digital geprägt ist. Ich würde ihnen weiterhin sagen, dass die mediale Nutzung außerhalb nicht mit der in der Schule gleichzusetzen ist.
Kirch: Sie ermöglichen beispielsweise, dass auch Kinder mit Einschränkungen besser am Unterricht teilnehmen können. So können manche Tablets sehbehinderten Kindern die Inhalte vorlesen. Apps ermöglichen stummen Kindern das „Sprechen“. Die Möglichkeit, auf Tablets die Schriftgröße oder den Zeilenabstand zu adaptieren, erleichtert insbesondere Leseanfängern das Lesen. Kinder, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, können Übersetzungsapps nutzen.
Kirch: Eine Reihe von Studien zeigt, dass die Nutzung digitaler Medien unter Kindern zunimmt. Bereits Kinder im Vorschulalter haben Zugang zu vielfältigen Medien, sie sind in ihrer direkten Umwelt davon umgeben. Sie sehen, wie ihre Eltern diese verwenden und wissen sie teilweise erstaunlich selbst zu nutzen.
Kirch: Das liegt in der Hand der Lehrkraft und das soll auch so sein. Lehrerinnen und Lehrer wissen, dass digitale Medien alleine noch keinen guten Unterricht ausmachen. Um eine reflektierte Entscheidung darüber zu treffen, ob und wie Medien eingesetzt werden, müssen Lehrkräfte die zu vermittelnden Inhalte, ihre pädagogische Zielsetzungen und die technologischen Möglichkeiten miteinander abwägen.
Kirch: Bayerns Schulen sind – wie in den meisten anderen Bundesländern auch – auf einem guten Weg, jedoch noch weit von einer guten Ausstattung entfernt. Ich würde mir wünschen, dass jeder Lehrer und jeder Schüler an jedem Ort und zu jeder Zeit Zugang zu allen Medien hat. Nur dann können wir sie in der Schule mit der gleichen Selbstverständlichkeit verwenden, wie wir es im Alltag tun. In anderen Ländern ist das schon möglich, da ist das Tablet im Unterricht so normal wie der Bleistift. Foto: Michael Kirch