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Schäuble sorgt für Diskussionen
Wolfgang Schäuble
Foto: dpa | Wolfgang Schäuble
Von unserem Korrespondenten MARTIN FERBER
 |  aktualisiert: 21.08.2013 19:49 Uhr

Gerhard Schröder ist in seinem Element. Diese Steilvorlage lässt sich der Altkanzler bei seinem ersten Auftritt in diesem Wahlkampf an der Seite von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück nicht entgehen. Dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eher beiläufig auf einer Wahlkampfveranstaltung angekündigt hat, dass Griechenland im kommenden Jahr ein drittes milliardenschweres Hilfspaket benötigt, obwohl Kanzlerin vor kurzem noch erklärt hatte, sie sehe ein solches Hilfspaket nicht, kann Schröder nicht unkommentiert lassen. „Möglicherweise hat sie die falsche Brille aufgehabt“, lästert er in Detmold über seine Nachfolgerin im Kanzleramt. „Mit Vertuschen und Verschleiern gewinnt man kein Vertrauen des Volkes, sondern nur mit Klartext.“ Und dann fährt der Altkanzler ein schweres Geschütz auf: Bei den Kosten der Euro-Krise werde die „ganz große Lüge“ vorbereitet. Deutschland werde zahlen müssen für die europäische Schuldenkrise.

Ein schwerwiegender Vorwurf, den die Regierung umgehend zurückweist. Man habe nie ein drittes Hilfspaket kategorisch ausgeschlossen, heißt es im Finanzministerium, im Gegenteil, Wolfgang Schäuble habe in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, dass weitere Hilfen notwendig sein könnten. So sagte er im Februar 2012: „Es ist möglicherweise nicht das letzte Mal, dass sich der Deutsche Bundestag mit Finanzhilfen für Griechenland befassen muss.“

Von einem „Duktuswechsel“, einer Änderung der Sprachregelung, so ein Sprecher Schäubles, könne daher keine Rede sein. Mitte 2014 werde man sehen, „wo Athen steht“. Auch in der Sitzung des Bundeskabinetts am Mittwoch spielt das Thema keine Rolle. „Da gibt es nichts Neues“, sagt Regierungssprecher Steffen Seibert hinterher. Das Programm befinde sich „im Fahrplan“.

Gleichwohl hatten sich die Regierungsparteien bislang bemüht, die Themen Euro-Rettung und Hilfspakete aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Bundeskanzlerin Angela Merkel verwies in der Vergangenheit beinahe gebetsmühlenartig darauf, dass der von der griechischen Regierung beschlossene Sparkurs seine Wirkung erst noch entfalten müsse, ehe man über neue Hilfen entscheide. Erst 2014 oder Anfang 2015 könne man die Lage Griechenlands neu bewerten. „Welche Summen gegebenenfalls notwendig sind, kann ich heute nicht sagen. Das können wir erst Mitte des nächsten Jahres sagen“, so Merkel. Athen habe sehr gute Fortschritte gemacht.

Die SPD will sich mit diesen Äußerungen nicht zufriedengeben und fordert weitere Aufklärung. „Das Vorgehen ist typisch für Merkels Regierungsstil“, sagt der SPD-Finanzexperte Joachim Poß. „Immer wenn es kritisch wird, schickt sie einen ihrer Männer vor, um zu testen, ob das Eis trägt.“ Nun sei es Schäuble, „der die Katze aus dem Sack lassen musste“. Die Kanzlerin dagegen tauche ab und wolle sich „lieber bis zum Wahltag durchschweigen“. Dabei wäre es ihre Aufgabe, „endlich für Wahrheit und Klarheit in der Griechenlandfrage zu sorgen“, so Poß.

SPD-Chef Sigmar Gabriel ruft die Bundeskanzlerin auf, anstehende weitere Hilfen noch vor der Bundestagswahl konkret zu benennen. „Frau Merkel muss den Deutschen endlich reinen Wein einschenken – und zwar vor der Wahl.“ Wolfgang Schäuble spreche aus, was die Kanzlerin der Bevölkerung verheimlichen wolle: „Griechenland wird weitere Hilfen – in welcher Form auch immer – beantragen.“ Dies sei auch „eine Folge der einseitigen Politik von Frau Merkel“. Die Linkspartei fordert gar eine Regierungserklärung Merkels. Über Schäubles „Offenbarungseid“ müsse der Bundestag in seiner Sitzung Anfang September debattieren, sagt Parteichef Bernd Riexinger.

Nach Ansicht der euroskeptischen „Alternative für Deutschland“ hat Wolfgang Schäuble allenfalls die halbe Wahrheit gesagt. Denn das vom Finanzminister angekündigte dritte Hilfspaket werde eine „reine Schenkung“ sein. „Griechenlands Schuldentragfähigkeit liegt bei maximal 100 Milliarden Euro, die griechische Staatsschuld beträgt aber bereits jetzt 350 Milliarden Euro“, rechnet Parteichef Bernd Lucke vor. Aus diesem Grund sei ein Schuldenschnitt unvermeidlich. Alles spreche dafür, dass die Regierung den Bürgern erst nach der Wahl die „tatsächliche Rechnung“ präsentiere.

Nicht alle Griechen wollen Wolfgang Schäubles Hilfe

Der Bundesfinanzminister denkt laut über neue Rettungskredite für Griechenland nach, aber manchen Hellenen ist das gar nicht recht: „Schäuble droht mit neuer Hilfe“ meldete die linksgerichtete Athener „Zeitung der Redakteure“ am Mittwoch. Neben der Schlagzeile war ein besonders grimmig dreinblickender Bundesfinanzminister abgebildet. Schäuble, so erfuhren die Leser des Blattes, arbeite bereits an einem neuen Kreditvertrag für Griechenland. „Das bedeutet neue, unerträgliche Sparauflagen für das griechische Volk“, ahnt die Zeitung. Auf gleicher Linie lag die „Avgi“, das Zentralorgan der radikal-linken Oppositionspartei Syriza: Ein neuer Kredit bedeute nur „neue Fesseln“. Weniger feindselig berichten die meisten anderen griechischen Medien über den Vorstoß des Bundesfinanzministers. Dass Schäuble die Debatte über ein drittes Hilfspaket ausgerechnet am Dienstag eröffnete, sei kein Zufall gewesen, glaubt die Zeitung „Ta Nea“. Das Blatt sieht einen Zusammenhang mit dem Besuch des EZB-Direktoriumsmitglieds Jörg Asmussen, der am Mittwoch in Athen Gespräche führte. Nach Aussage von Asmussen hat das Thema weiterer Finanzhilfen dabei aber keine Rolle gespielt. Darüber werde erst im Frühjahr 2014 gesprochen, erklärte Asmussen nach seinem Treffen mit dem griechischen Finanzminister Giannis Stournaras. Er habe deshalb in seinem Gespräch mit Stournaras auch keine Einzelheiten dieses Themas erörtert, sagte Asmussen. Auch über einen Schuldenschnitt sei nicht gesprochen worden. Es komme nun darauf an, dass Griechenland die Reform- und Sparauflagen erfülle. Text: Höh

 
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