In einer in dieser Woche veröffentlichten Studie (wir berichteten) warnt der Bochumer Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer vor einer drohenden Rezession auf Westeuropas Automärkten. Wir sprachen mit ihm darüber.
Ferdinand Dudenhöffer: Die Märkte vor allem in Südeuropa sind aufgrund der Schuldenkrise dramatisch eingebrochen. Da ist Kaufkraft in hohem Maße abgezogen worden, die Leute haben nun einfach kein Geld mehr für neue Autos. Nehmen Sie beispielsweise Spanien. Da werden in diesem Jahr vielleicht noch 750 000 Fahrzeuge verkauft, vor der Krise waren es rund 1,6 Millionen Pkw pro Jahr, also mehr als das Doppelte. Und der Markt in Spanien schrumpft weiter. Ähnlich sieht es in Portugal, Italien oder – ganz extrem – in Griechenland aus. Da geht praktisch gar nichts mehr. Und das wird wohl die kommenden Jahre auch so bleiben.
Dudenhöffer: Dieser Einbruch trifft sehr stark die südländischen Hersteller. Peugeot/Citroën kämpft ums Überleben, Renault hat starke Einbußen, Fiat schreibt sehr schlechte Zahlen. Und auch die spanische VW-Marke Seat hat Probleme.
Dudenhöffer: Die ganz großen „Gewinner“ der Krise sind diejenigen, die global aufgestellt sind – also die deutschen Premiumhersteller Audi, BMW und Mercedes. Hinzu kommt der Volkswagen-Konzern. VW wächst mit der Krise in eine marktbeherrschende Stellung in Europa.
Dudenhöffer: Er sieht natürlich die schwierige Situation seines Unternehmens auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite die Wolfsburger, die Rekordgewinne schreiben und sehr, sehr stark am Markt sind. Wenn nun VW in einen harten Rabattwettbewerb einsteigt, dann ist das für Fiat und Co. natürlich eine Kampfansage.
Dudenhöffer: Auch für VW ist der europäische Markt schwieriger geworden, auch die spüren die Kaufzurückhaltung. Und so sieht man in der Tat bei großen Händlern seit einigen Monaten VW-Neuwagen mit bis zu 28 Prozent Rabatt in den Zeitungsanzeigen. VW nutzt seine starke Position im Markt deutlich und erhöht damit die Schwierigkeiten der Südländer.
Dudenhöffer: Nein, Premium ist ein Langfristtrend. Natürlich bricht in einer globalen Krise wie 2008/2009 auch hier die Nachfrage ein. Derzeit aber haben wir etwa in China – mittlerweile der weltweit wichtigste Automarkt – noch eine stabile Konjunktur. Und da wächst das Luxussegment wesentlich stärker als der Massenmarkt.
Dudenhöffer: Das wissen auch die Premiumhersteller und erweitern ihr Produktprogramm nach unten. Nehmen Sie Autos wie den neuen A3 oder den A1 von Audi, den 1er BMW oder die A-Klasse von Mercedes, damit sind die Premiumhersteller doch längst in das Terrain der Massenhersteller eingedrungen.
Dudenhöffer: Beide sind nur in Europa tätig und daher stark von der Krise betroffen. Opel hat zudem das Problem, dass man schon sehr lange Verluste angehäuft hat. Nun versucht man die Kapazitäten so anzupassen, dass man ohne Werksschließungen auskommt. Aber ob das gelingt, das weiß heute niemand. Ich jedenfalls bin mir sicher: Werksschließungen stehen in den kommenden fünf Jahren auf der Agenda der europäischen Autoindustrie.
Dudenhöffer: Zulieferer hängen natürlich von ihren Kunden, den Autoherstellern, ab. Wenn die weniger Autos verkaufen, dann geht es auch den Lieferanten schlecht. Allerdings sehe ich auch hier vor allem die mittelständischen Zulieferer in Südeuropa bedroht. Weil sie doch sehr stark auf ihre nationalen Hersteller ausgerichtet sind. Die wirtschaftlich meist sehr gesunden deutschen Zulieferer aber sind längst weltweit präsent. Auch sie werden damit wohl eher zu den „Gewinnern“ dieser Krise gehören.
Dudenhöffer: Kostendruck haben Zulieferer schon immer gehabt. Sie haben das Problem, dass auf weltweit 10 000 Zulieferer gerade einmal ein Dutzend Autohersteller kommt – und da ist der Kunde eben König. Doch die Hersteller sind auch auf die Zulieferer angewiesen. Die meisten Innovationen kommen ja heute von den Zulieferern. Und ohne zuverlässige Lieferanten können die Hersteller gleich einpacken.
Dudenhöffer: Die Rabatte werden im nächsten halben Jahr weiter steigen. Und das, obwohl wir ja schon bei einem Höchststand sind.
Ferdinand Dudenhöffer
An seinem CAR, dem Center Automotive Research der Uni Duisburg-Essen, untersucht Ferdinand Dudenhöffer seit Jahren den internationalen Automarkt. Der als „Autoprofessor“ bekannt Wissenschaftler ist geschätzter Gesprächspartner der Top-Manager der Branche – auch wenn er mit seinen Thesen nicht selten auf Konfrontationskurs geht. Die schlechtesten Autoverkäufe seit 1993 werde das kommende Jahr in Europa bringen – das ist die Kernaussage einer aktuellen CAR-Studie, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Mit nur 11,9 Millionen abgesetzten Pkw werde im kommenden Jahr voraussichtlich ein 20-Jahres-Tief erreicht, erwarten die Forscher. Hauptgrund für den einbrechenden Konsum bei langlebigen Gütern wie Autos ist die zunehmende Unsicherheit wegen der Staatsverschuldung in Süd- und Westeuropa. „Die Krise“, schreibt das Team um Ferdinand Dudenhöffer, „ist nicht vorbei, sie ist am Beginn.“ FOTO/Text: MD