Noch ziert sie sich. Ihre Ambitionen auf die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl hüllt Katrin Göring-Eckardt gerne in Worte, aus denen ihre Partei alles herauslesen kann und auch wieder nichts. „Natürlich ist es wichtig, durch verschiedene Personen verschiedene Milieus anzusprechen“, sagt die 46-Jährige lediglich. Die Botschaft dahinter allerdings verstehen die meisten Grünen auch so: Eine Doppelspitze aus Claudia Roth und Jürgen Trittin werden die Reformer in der Partei nicht kampflos akzeptieren. „Ein solches Duo“, warnt der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, „würde die Partei nicht in ihrer Breite repräsentieren.“ Es ist den Realos, salopp gesagt, zu links.
Gut ein Jahr vor der Bundestagswahl haben nach den Sozialdemokraten nun auch die Grünen eine Art Troika. Im Gegensatz zu den Genossen jedoch, die Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück geschickt als Team in Szene setzen, aus dem sich am Ende dann der gemeinsame Kanzlerkandidat herausschält, arbeitet bei den Grünen jeder Aspirant auf eigene Rechnung. „Wie auch immer die SPD ihr Trilemma löst“, klagt Ralf Fücks, der Vorsitzende der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung, „sie tut das bisher nicht durch Kannibalisierung ihres Führungspersonals.“
Seit Palmer in der vergangenen Woche die amtierende Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt auch offiziell als Spitzenkandidatin ins Spiel gebracht hat, hat der Kampf um Macht und Einfluss bei den Grünen eine neue Dimension erreicht, in dem der Theologin aus Thüringen allerdings die denkbar undankbarste Rolle zugedacht ist. Würde sie sich in einer Urwahl gegen Claudia Roth durchsetzen, wäre die amtierende Parteivorsitzende nachhaltig beschädigt. Macht ihre Konkurrentin Roth das Rennen, würde der Realo-Flügel dies als schwere politische Schlappe empfinden.
Boris Palmer, grüner Oberbürgermeister in Tübingen, über Claudia Roth und Jürgen Trittin als Doppelspitze der Grünen
Bundestagsfraktionschef Trittin, der als graue Eminenz der Partei als Spitzenkandidat praktisch gesetzt ist, schlägt inzwischen zwar eher pragmatische Töne an, gilt aber noch immer als Exponent des linken Parteiflügels. Eine Frau wie Katrin Göring-Eckardt an seiner Seite, argumentieren ihre Unterstützer, würde dagegen wie Winfried Kretschmann im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg nicht nur die Stammkundschaft der Partei bei der Stange halten, sondern auch bürgerliche Wähler zu den Grünen locken.
Bisher kommen Sozialdemokraten und Grüne in den Umfragen gemeinsam kaum über 40 Prozent hinaus – zu wenig für den angestrebten Machtwechsel. Dass die Vorsitzende der evangelischen Synode im Wahlkampf ganz vorne mitmischen will, gilt in der Partei als sicher. Eine erfolgreiche Spitzenkandidatin wäre nach einem rot-grünen Wahlsieg die erste Anwärterin auf ein Ministerium – das aber weiß auch Claudia Roth, die als bislang einzige Grüne offiziell ihr Interesse an der Spitzenkandidatur angemeldet hat.
Ob Fraktionschefin Renate Künast nach ihrem missglückten Versuch, Regierende Bürgermeisterin von Berlin zu werden, ihren Hut ebenfalls noch in den Ring wirft, wird in Parteikreisen inzwischen bezweifelt. Auch deshalb plädieren etliche Abgeordnete aus dem Realo-Lager für einen Verzicht auf das geplante Tandem. Der gefühlte Spitzenkandidat, sagt einer von ihnen, sei ohnehin Trittin. „Wenn wir um ihn herum ein Team von vier oder fünf Leuten bauen, können wir uns viel Ärger sparen.
Dem steht bisher allerdings die Beschlusslage der Partei entgegen. Danach müssen alle Bewerber „mit ernsthaftem Interesse“ dies bis Ende August signalisieren. Melden sich mehr als zwei Kandidaten, also nicht nur Jürgen Trittin und Claudia Roth, muss der sogenannte Länderrat am 2. September eigentlich eine Urwahl in die Wege leiten – oder noch einmal ganz neu denken.
An einem direkten Duell mit Claudia Roth hat schließlich auch die Favoritin der Realos kein Interesse. „Die Rolle der Königsmörderin“, sagt eine Parteifreundin, die Katrin Göring-Eckardt gut und lange kennt, „liegt ihr nicht.“